Evangelischer Kirchenkreis Lübbecke

Worte der Besinnung für den 04. Oktober 2025

Lea Queer, Pfarrerin im Kirchenkreis Lübbecke

Wenn Martha am Erntedankmorgen den Deckel eines ihrer Himbeermarmeladengläser öffnet, fühlt es sich auf einmal an, als würde ein ganzer Sommer in ihre kleine Küche zurückkehren.
So süß und fruchtig, mit einem feinen Hauch von Zitrone.
Der Duft lässt sie einen Moment innehalten. Und dann: lächeln.
Die Marmelade hat sie im Juli gekocht. Die Gläser sorgfältig beschriftet, wie in jedem Jahr.
Damals war es heiß gewesen. Die Enkelkinder hatten barfuß im Garten getobt und Himbeeren genascht. Am Abend waren die Finger klebrig und manches Knie aufgeschürft. Die Augen müde und die Herzen voll.
Heute ist der Garten leerer. Der Wind weht schon das erste bunte Laub über die Terrasse. Auf dem Küchentisch steht ein kleiner Strauß aus Astern und tiefroten Hagebutten. Marthas kleiner Erntedankaltar.
Sie zündet eine Kerze an. Denkt an ihre Hände, die diesen Sommer gepflückt und gerührt, gestrichen und getröstet haben.
An das Jahr, das müde gemacht hat und doch voll war.
Sie hat Abschied nehmen müssen von ihrer liebsten Freundin.
Und das Gehen lernen mit dem Rollator.
Sie hat Tränen gespürt und Geduld gelernt.
Aber sie hat auch gelacht. Über die Witze ihrer Enkelkinder, über ihre eigene Vergesslichkeit und manchmal auch über das Leben überhaupt.
Denn Martha glaubt nicht an eine Welt, in der immer alles leicht ist. Aber sie glaubt an das Gute, das bleibt. Den Glanz, der im Alltäglichen immer wieder sichtbar wird. An das, was in ein Glas Marmelade passt. Sonne und Mühe. Zeit und Liebe. Licht und Segen.
Denn Erntedank heißt für Martha nicht nur: danken für das, was auf dem Tisch steht. Für das Brot und die Früchte. Das, was man sieht und zählt.
Sondern auch für das, was bleibt, wenn der Tisch abgeräumt ist.
Für die Spuren, die ein Abendessen in Gemeinschaft hinterlässt. Auf dem Tischtuch und im Herzen.
Für die Gespräche, die nachklingen, wenn die Stille einkehrt.
Für die Hände, die gehalten haben, als es schwer war und die Augen, die vor Freude strahlen können.
Für diesen kleinen feinen Hauch im Dazwischen, in dem Gott von seiner Nähe flüstert.
So faltet Martha an diesem Morgen die Hände, während draußen der Wind durch den Apfelbaum fährt.
„Danke“, flüstert sie zurück.
Für das Süße, das den Tag heller macht.
Für das Saure, das mich wachhält.
Für das Leben, das immer wieder nach Sommer schmeckt.
Auch im Herbst.


Lea Queer, Pfarrerin im Kirchenkreis Lübbecke