Evangelischer Kirchenkreis Lübbecke

„Wohin?"

Pfarrer Bernhard Laabs

Was mache ich, wenn ich eine Antwort suche auf die Frage „Wohin“ – im Sinne von „Wo soll das bloß alles hinführen“? Ich versuche es mit der Gegenfrage „Woher?“, denn wenn Gott meinem Leben und dem Werden der Welt seine Segensspur eingeprägt hat, dann wird diese Spur auch weiterführen – selbst dann, wenn sie durch den vielen Müll, den wir darüber gekippt haben, kaum noch zu erkennen ist. Trotzdem. Woher? Auch im Zeitalter von Urknalltheorie und Quantenphysik lohnt sich ein Blick in die Schöpfungserzählung. Keine Angst, die moderne Naturwissenschaft will ich nicht mit der Bibel aushebeln. Das überlasse ich den christlichen Fundamentalisten. Aber zurück zum Thema: Wenn Gott er-schafft, schafft er vor allem – Gegensätze: Licht und Finsternis. Himmel und Erde. Land und Meer. Tages- und Jahreszeiten. Mensch und Natur. Mann und Frau. Arbeit und Ruhe. Der Anfang der Bibel betrachtet die Welt nicht als Idylle, sondern als ein höchst vielschichtiges Gebilde aus spannungsvollen Gegensätzen – und überträgt uns Menschen die Verantwortung, diese Gegensätze in einem segensreichen Gleichgewicht zu halten. Dieses muss nicht unbedingt in der Mitte liegen, denn z.B. für Arbeit und Ruhe macht die Bibel ja den Vorschlag 6:1. Egal. Was die fernöstliche Weisheit als „Ying“ und „Yang“ kennt, dass in einer Seite der Wirklichkeit immer auch die andere steckt, steht auch in der Bibel, und zwar gleich am Anfang.

Warum uns das bei der Frage nach dem „Wohin“ hilft? Schon im biblischen Zeitalter haben sie Menschen erkannt: Gottes Welt ist kompliziert, konflikt- und spannungsreich. Und das Gebot, sich die Erde untertan zu machen, bedeutet, diese Spannungen ins Gleichgewicht zu bringen und um Ausgleich bemüht zu sein. Das vermisse ich in vielen gesellschaftlichen und politischen Debatten. Die sind doch oft von dem Streben einzelner nach Ansehen und Vorteilen bestimmt. Aber so wird Gottes Ebenbild zur garstigen Fratze verunstaltet. Ich lese die Schöpfungserzählung heute als eine Kampfansage an alle populistischen Versuche, die Welt und ihre Probleme zu vereinfachen und das Volk, dem sie sich doch so anbiedern, für dumm zu verkaufen. Das Leben ist nun einmal – weiß Gott (!) – kompliziert. Es ist doch eine der größten Herausforderungen an Gottes Ebenbilder (also an uns!) die Spannung zwischen „Ich“ und „Du“, oder besser noch: zwischen „Ich“ und „Wir“ versöhnend zu gestalten. Das vor allem macht uns zu Gottes Ebenbild. Dazu hat Gott gesagt: es ist sehr gut. Also wohin? Na klar doch: dahin!


Pfarrer Bernhard Laabs aus der Kirchengemeinde Schnathorst