Evangelischer Kirchenkreis Lübbecke

Worte der Besinnung zum 06. Juni 2020

Pfarrer Karl - Heinz Graute

An Gott erinnern, eine Aufgabe, eine Einladung, eine Verpflichtung? Ja, darin sehe ich meinen Dienst als Priester, Pfarrer, schlicht und einfach als Christ. Wie geht das? Als ich vor 25 Jahren mit dem Empfang der Priesterweihe meinen Dienst begann, ja da ging es so richtig los. Mir war klar, Gott ist schon längst da, er lebt und regiert an vielen Stellen innerhalb und außerhalb der Gemeinden, in seiner Kirche, aber auch darüber hinaus. Da sind überall begeisterte Frauen und Männer tagtäglich zeugnishaft unterwegs. Schnell wurde mir erneut klar, die Frage nach der Aufgabe, Einladung, ja auch der Verpflichtung ist existenziell für jeden Christen/jede Christin. Ich bin getauft, Mitglied der Kirche, also bin ich gemeint, beim Namen gerufen, angefragt, berufen, wie es Frére Roger Schutz/Begründer der Taizé-Bewegung einmal so formulierte: „Dass, was ich vom Evangelium verstanden habe und sei es noch so wenig, zu leben! Nun bin ich aber Priester, was ist da anders? Es ergibt sich und erschließt sich von der Berufung der Jünger Jesu her. Da gibt es ganz klar eine Beauftragung und Sendung. “GEHT HINAUS IN DIE GANZE WELT UND TAUFT….”! Da sind auch die deutlichen Worte im Abendmahlsaal: “Tut dies zu meinem Gedächtnis”!

Als Priester stehe ich in einer besonderen Nähe, ja Beziehung zu Jesus Christus und gleichzeitig zu den Menschen. Zumindest ist das bei aller Menschlichkeit mein tiefstes Bestreben. Das bedeutet Beziehungspflege und kann manchmal ziemlich spannend sein. Denn wo eine Herzensbeziehung, welcher Art auch immer, existiert, da meldet sich normalerweise auch schnell das Gewissen. Das kennt jeder normale Mensch aus eigener Erfahrung. Begegnung, Vergebung, Versöhnung, Frieden, all das ist dabei ein notwendiger Prozess, eine immerwährende Aufgabe. Da geht es im wahrsten Sinne des Wortes auch um Mitleid aus Liebe, um Beziehungsstörungen, demzufolge um die Sehnsucht nach erfülltem Leben. Moment mal, und da gibt es doch den Gott, der in sich Beziehung ist, „Dreifaltig“ als Vater, Sohn und Heiliger Geist. In diese Liebesbeziehung bin ich doch durch die Taufe längst hineingenommen. Das ist ja ein unbeschreiblicher Vorschuss an Liebe. Super! Konkret darf ich das in der Begegnung mit Jesus hautnah erfahren. Als Bruder, als Freund, als Wegbegleiter, Erlöser und Heiland will er erfahrbar sein, Beziehung schenken. Der Gott der Beziehung beauftragt Menschen, die von Jesus her an die Beziehung zwischen Gott und dem Menschen erinnern.

Und wo ich als Pastor oder Pfarrer in und mit der Kirche von Jesus her denke und lebe, es zumindest immer wieder versuche, da schwingt dann gleichzeitig die Verantwortung mit, die in der Beauftragung dieses Dienstes begründet ist. Es liegt an mir, will und kann ich das von ihm her, der mich in diesen Dienst gestellt hat auch wirklich von Herzen tun? Das heißt konkret, die Verkündigung und Auslegung des Evangeliums, sei es gelegen oder ungelegen im Kontext der gegenwärtigen Zeitumstände, die Feier und Spendung der Sakramente von der Taufe bis zur Vergebung der Sünden, die Integration von Begabungen und Charismen zum Aufbau der Gemeinden, immer jedoch zum Heil der Menschen. Dabei ist Jesus letztlich selbst der eigentlich wirkmächtig Handelnde. Durch ihn und mit ihm und in ihm kann es nur gehen. Derzeit scheint es so, als müsse sich die Kirche ganz neu finden. Strukturdebatten helfen meines Erachtens da nur zweitrangig weiter. Ich bin überzeugt, die Kirche muss sich nicht neu finden, schon gar nicht neu erfinden und auch ich selbst muss mich in dem Dilemma der tausend Heilsanbieter und Meinungen nicht erst neu erfinden. Nein, wir dürfen Ihn, Jesus wiederfinden, neu entdecken. Mehr noch, wir sollten uns von ihm finden lassen. Das ist Beziehung! Er steht mitten unter uns und überfordert uns nicht. Daran möchte ich, will ich gerne erinnern, das ist eine große wunderbare Aufgabe. Übrigens, diese Aufgabe des Erinnerns steht allen Christen/Christinnen gut. Dabei geht es weniger um gelehrte, große Worte als mehr um eine Lebensweise, Einstellung und Ausrichtung. Es hört sich vielleicht etwas lapidar aber pragmatisch an. Aber lesen und hören wir das Evangelium, beten wir allein und gemeinsam, erzählen wir von Jesus, helfen, trösten ermutigen wir einander, feiern/teilen wir den Glauben an Jesus Christus? Die Verlebendigung des Glaubens und der Kirche geht auch heute noch so, wie seit fast 2000 Jahren schon. Ach ja, da geht es eben um Beziehung, ich bin eingeladen. Als Mutter Theresa gefragt wurde, was muss sich ihrer Meinung unbedingt in der Kirche ändern, war ihre Antwort: „Sie und Ich“! Also, hören wir nie auf, anzufangen und fangen wir nie an, aufzuhören! Was habe ich davon? Ein sinnvolles, bleibendes, ja erlöstes Leben in guter Gemeinschaft mit Gott und den Menschen guten Willens! Das ist sehr spannend“, Gott, sei Dank!


Pfarrer Karl - Heinz Graute (Leiter des Pastoralverbund Lübbecker-Land)