Evangelischer Kirchenkreis Lübbecke

Worte der Besinnung von 29. Juli 2023

Pfarrerin Britta Mailänder

„Pling!“, macht mein Smartphone. Ein Foto erscheint. Es zeigt eine riesige Fassade mit spitzen Türmen, mit Säulen, Wandreliefs und filigranen Mosaiken. „Gruß aus Orvieto. Früher Zufluchtsort des Papstes“, schreibt mir ein lieber Mensch. Aha, denke ich, auch ein Papst braucht also einen Zufluchtsort.

Zuflucht. Ein Wort, das irgendwie aus der Zeit gefallen scheint. Gehört das überhaupt noch zu unserem aktiven Sprachgebrauch? Zuflucht. Ein Wort, das Bilder im Herzen und in der Seele hervorlockt. Zuflucht klingt nach Topfkuchen am Samstagnachmittag, nach heißer Schokolade an einem regnerischen, kalten Herbsttag, nach Mamas weit ausgestreckten Armen.

Wo findest du Zuflucht? Diese Frage habe ich vor kurzem einigen Freundinnen und Freunden gestellt.
Einfach per Smartphone, wieder einmal. Manche kannten das schon von mir.

Bei einer Freundin, der ich alles erzählen kann. Und wenn ich gar keinen sehen möchte: Im Bett, unter der Bettdecke. Zuflucht, das ist der Strand am Meer. Die Weite, der Wind, der Sand. Das Zusammenspiel von Ebbe und Flut – all das schenkt mir Ruhe und Frieden. Hier fühle ich mich geborgen und als Teil von Gottes großartiger Schöpfung. Worte von Dörte Hansen kommen mir in den Sinn: „Und die See soll es richten und der Wind soll pusten, bis es nicht mehr weh tut.“
Beim Mountainbiken, mal Zeit für sich nehmen und alles andere ausblenden.
Beim Spaziergang. Bei meiner Partnerin. Beim Musikmachen. Auch die Toilette kann eine Zuflucht sein. Im Dienst, wenn eine andere Flucht nicht möglich ist.
Am Grab meiner Eltern: Wo ich zur Ruhe kommen kann und wo keiner etwas von mir will. Wo ich einfach sein darf.

Zuflucht – da steckt Bewegung drin. Weg von dem, was bedrohlich ist, hin einem sicheren Ort.
Wovor sie eigentlich fliehen, das habe ich mich nicht getraut zu fragen.

Ich weiß nicht, wovor Sie fliehen und wo Ihre Zufluchtsorte liegen.
Aber dass Sie ein Gespür dafür haben - dass Sie sie suchen und finden, die Zuflucht, wann immer Sie sie brauchen:
Das wünsche ich Ihnen.
Am Meer oder unter der Bettdecke, beim Motorradfahren oder in der Badewanne.

Und ja: Vielleicht auch in einer Kirche. Trotz allem.
Kopf und Herz sortieren. Und die Seele auch. Mir tut das gut. Denn hier versteht einer/eine auch die Worte, die mir verloren gegangen sind. Die ich nur flüstern kann und stammeln. Sogar die, die ich gar nicht sagen kann, nur fühlen.

Treten Sie ein – Sie sind willkommen.


Britta Mailänder
Pfarrerin in der Kirchengemeinde Nettelstedt
Seelsorgerin im Evangelischen Alten- und Pflegeheim am Kirchplatz und im Hospiz veritas, Lübbecke