Evangelischer Kirchenkreis Lübbecke

Worte der Besinnung vom 29. April 2023

Ich bin Lehrer an einer Schule. Ich mag meinen Beruf wirklich, auch wenn er wegen vieler Probleme unseres Schulsystems echt anstrengend sein kann. Aber heute soll es um diese Probleme nicht gehen. Heute geht es um das Aufräumen des Klassenraums. Als Klassenlehrer ist das ein super anstrengendes Unterfangen, gerade in der 7. und 8. Klasse. „Es sieht doch in Ordnung aus“. „Warum denn ich, ich war das nicht“. Das sind noch die kleinsten argumentativ zu bewältigenden Probleme. „Bei uns zu Hause macht das aber die Putzfrau“. Das habe ich auch schon mal gehört. Vor kurzem habe ich aber etwas erlebt, was wirklich selten ist. Ein Kind geht durch unsere Schulhalle, sieht etwas Müll auf dem Boden, hält extra an, hebt den Müll auf, dreht sich um, geht extra paar Schritte zu dem Mülleimer und wirft den Müll weg. Und das alles ohne Aufforderung, ohne wahrscheinlich den Müll dahin geworfen zu haben, ohne Aussicht auf Lob. Eine kleine Tat? Vielleicht, vielleicht aber auch nicht. Wie oft kommt es eigentlich vor, dass wir Probleme übersehen? Und wenn wir schon hinsehen, wie oft kommt es vor, dass wir uns furchtbar aufregen, anstatt selbst etwas zu tun, und sei es nur im Kleinen?

Ich lese im Moment die Bergpredigt, eine der bedeutendsten Bibelstellen für die Christen. Die Seligpreisungen und das Vaterunser stehen in der Bergpredigt. Die Bergpredigt ist aber nicht nur bedeutsam, sie ist auch polarisierend. Der Verzicht auf Gegengewalt und die Aufforderung, seine Feinde zu lieben, sind ebenfalls ein Teil davon. „Leistet dem, der euch etwas Böses antut, keinen Widerstand, sondern wenn dich einer auf die rechte Wange schlägt, dann halt ihm auch die andere hin!“ Das steht in Matthäus 5, Vers 39. Aber wie ist denn das zu verstehen? Ist das denn überhaupt lebbar? Und vor allen, was hat die Bergpredigt mit dem Aufräumen in der Schule zu tun?

Nun ja, in der Bergpredigt, in Matthäus 7, Vers 12, steht die so genannte Goldene Regel. „Alles, was ihr wollt, dass euch die Menschen tun, das tut auch ihnen!“ Meine Klasse wäre jetzt sehr erfinderisch, ich sehe schon die Diskussion vor meinem geistigen Auge. „Aber Herr Heinz, ich will nicht, dass jemand meinen Müll aufsammelt, ich kann das auch selbst, dann muss ich doch auch nicht den Müll für andere aufräumen. Richtig? Nein, auf keinen Fall, und ganz ehrlich, das sind doch wieder nur Ausreden, um sich vor dem Aufräumen zu drücken.“ So ähnlich würde es vielleicht ablaufen. Aber mal im Ernst, man kann über diesen Satz diskutieren und philosophieren, man kann ihn sogar ignorieren, man kann ihn aber auch einfach ernst nehmen, aufhören, sich über andere Menschen aufzuregen und anfangen, ihnen etwas Gutes zu tun. Ja, es ist schwer und ja, wir werden dabei immer wieder scheitern, aber Gott verspricht, bei uns zu sein und uns zu helfen. Und für die, die eine zusätzliche Herausforderung suchen, noch ein Zitat aus der Bergpredigt zum Nachdenken. „Und wenn einer von dir verlangt, eine Meile mit ihm zu gehen, dann geh zwei Meilen mit ihm!“


Aleksej Heinz, Gemeindeleiter der EFG Lübbecke