Evangelischer Kirchenkreis Lübbecke

Worte der Besinnung vom 21. September 2019

Ist Angst ein schlechter Ratgeber?

„Ich möchte, dass ihr die Angst spürt, die ich jeden Tag spüre!“ So hat es vor einigen Monaten Greta Thunberg den führenden Leuten auf der Weltwirtschaftskonferenz im Davos vorgehalten. Danach war sie noch in New York, auf der Klimakonferenz der Vereinten Nationen. Dorthin ist mit einem extra gecharterten Segelschiff gefahren, um das klimaschädliche CO2 zu sparen. Damit aber alles gut auf ihrer Reise funktioniert, mussten seinerzeit mehrere Leute über den Atlantik hin und herfliegen. Immer wieder hat man ihr und ihrem Team diese Widersprüchlichkeit vorgehalten. Das hat offensichtlich der Anziehungskraft dieser jungen Frau bzw. der Dringlichkeit ihrer Themen keinen Abbruch getan. Gestern, an einem Freitag im September 2019 sind ihr Millionen von Menschen auf der ganzen Welt gefolgt, um für den Schutz des Klimas einzustehen. Es vergeht in der Zwischenzeit kein Tag, an dem nicht von den Parteien in unserem Land auf diese Themensetzung reagiert wird. Auch unsere Regierung hat in der Zwischenzeit einen Klimagipfel veranstaltet – nur sind die Maßnahmen, die zum Schutz des Klimas ergriffen werden sollen, noch nicht endgültig bestimmt worden.
Ist es wirklich die Angst, die die Menschen nun auf die Straße bringt – die Angst, die Greta Thunberg den Wirtschaftsführern dieser Welt an den Hals gewünscht hat. Ich kann es mir nicht vorstellen. Denn wenn nicht eine Spur der Hoffnung in all dem, was nun beraten und beschlossen wird mitschwingen würde, wenn nicht die leise… (?), nein, die laute (!) Hoffnung darin liegen würde, dass es sich lohnt, sich für die Erhaltung des ökologischen Gleichgewichts einzusetzen, wenn nicht die sinnvolle Erwartung bestände, dass ein Zusammenleben auf diesem Planeten noch für viele Generationen möglich ist – wenn am Ende die Angst vor einem Zusammenbrechen der Welt recht behielte, dann wären ja alle Bemühungen um ein gerechtes und friedliches Miteinander nur reine Augenwischerei. Das kann nicht sein. Und das liegt auch nicht im Interesse der Schülerinnen und Schüler, die sich seit Monaten immer freitags versammeln, um für ihre Zukunft zu streiten.
Sie wissen, dass diese Zukunft bedroht ist. Aber sie möchten für sich und ihre Kinder und für ihre Kindeskinder eine echte Zukunft auf diesem schönen Planeten erhalten.
Der tiefe Grund für dieses Engagement liegt für mich im Bekenntnis zu dem „Gott, der Himmel und Erde gemacht hat“ – wie es in der Bibel, Psalm 124, 8 heißt. Martin Luther hat in seiner Erklärung zum Glaubensbekenntnis ausgeführt, was das konkret bedeutet: „Ich glaube, dass mich Gott geschaffen hat, samt allen Kreaturen, mir Leib und Seele, Augen und Ohren und alle Glieder, Vernunft und alle Sinne gegeben hat und noch erhält…“ – mich und alle Kreaturen geschaffen hat … und noch erhält! Sich für den Erhalt der Schöpfung zu engagieren bedeutet für mich, sich (bewusst oder unbewusst) zu diesem Schöpfergott zu bekennen, alles andere als lebensferne Theorie. Nichts zu tun, sich treiben lassen, eine Ausrede nach der anderen erfinden, um im Lebensstil nicht konsequent sein zu müssen – das ist für mich Gottesverleugnung in der Lebenspraxis.


Pfarrer Eberhard Helling