Evangelischer Kirchenkreis Lübbecke

Worte der Besinnung vom 17. Juni 2023

Prädikantin Miriam Wegener-Kämper

 Mit meinem Leben bin ich glücklich und zufrieden. Meistens.
Aber dann und wann ist es mir schlicht zu viel: zu viel Verantwortung (aber auch damit, sie abzugeben), zu viel Grübeln über ‚ungelegte Eier’ - zu viel vom Zuviel.
Kennst du, kennen Sie auch diese Zeiten, in denen man sich vom Leben getrieben fühlt? Von den äußeren und den selbstauferlegten Pflichten, von der Verantwortung, die schwer auf den Schultern lastet? Dann sind da so viele imaginäre Bälle, die wir in der Luft halten, dass es nur eine Frage der Zeit zu sein scheint, bis sie auf uns herunterprasseln. Alle. Und zwar gleichzeitig.
Okay, mag mancher einwenden, das Lebenstempo unserer Tage ist aber auch wirklich hoch! Das stimmt und auf manches haben wir tatsächlich keinerlei Einfluss. Auf anderes aber schon - zum Beispiel, indem wir lernen, „Nein!“ zu sagen, uns abzugrenzen.
Und es ist verrückt. Wie schnell sich das Lebenskarussell auch dreht: Anzuhalten, die Hände in den Schoß zu legen und alles, vor allem die Gedanken, ruhen zu lassen, das fällt schrecklich schwer. Weitermachen ist zwar anstrengend, scheint aber trotzdem irgendwie leichter zu sein.
Da ist es gut, wenn jemand von außen mich und mein Hamsterrad sieht. Und auf die Stopp-Taste drückt:
Einen, der nach einem anstrengenden Alltags-Tag wartet mit leckerem Essen an einem liebevoll gedeckten Tisch. Eine, die eine Schulter zum Anlehnen und ein Ohr für die unsortierten Gedanken anbietet. Ohne Rat-Schläge im Gegenzug. Einen, der den Wäscheberg zum Bügeln weggebracht hat, von dem ich seit Wochen seufzend jeden Abend sage: „Heute fange ich aber wirklich damit an!“ Eine, die meine Liebe zu Pfingstrosen kennt und mit einem dicken Strauß vor der Tür steht. Und mit Streuselkuchen. Einfach so. Es fehlt nur noch der Kaffee. Einen, der mich nach meinem Befinden fragt - und dessen Blick sagt, dass er es wirklich wissen will: Wie geht es dir? Eine, die spontan Karten organisiert hat für unsere Lieblingsband und jetzt hupend an der Straße im Auto sitzt, bis ich endlich dazu steige. Einen, der einen „Ohne dich ist alles Käse!“-Zettel auf die Käsestulle in der Brotdose legt. Und dank dem meine Frühstückspause mit einem Lächeln beginnt.
»Kommt zu mir, ihr alle, die ihr euch abmüht und belastet seid! Ich will euch Ruhe schenken.« (Matthäus 11,28), lädt Jesus seine Zuhörer im Bibelvers für die kommende Woche ein. Einfühlsam nimmt er die in den Blick, die bedürftig sind - also irgendwie uns alle. Ja, Lasten abgeben, Ruhe finden, das wäre schön!
Es tut gut, gesehen zu werden in dem, was dich und mich umtreibt. Unser tiefes Bedürfnis nach Entschleunigung, unbeschwerter Leichtigkeit, einem guten Gespräch. Auch unsere Unfähigkeit, etwas am Gewohnten zu ändern.
Wenn mich jemand überrascht oder wohltuend zum Innehalten bringt, wenn ich mich einladen lasse zum Lachen, Schweigen oder Genießen, dann glaube ich, hat da immer wieder Gott seine guten Finger im Spiel. Nur die Hände, die sehen ganz unterschiedlich aus.


 Prädikantin Miriam Wegener-Kämper