Worte der Besinnung vom 15. September 2018
Das Schuljahr hat gerade erst begonnen. Der Arbeitsalltag nimmt einen ganz schnell wieder in Anspruch. Der Urlaub erscheint in weiter Ferne. Beim Sortieren der Urlaubsbilder bleibe ich an diesem Bild hängen:
bristlecone pine in Utah
Ich nehme mir die Zeit, mich an den Tag zu erinnern, an dem wir in den Shuttle gestiegen sind... Noch müde frage ich mich, ob wir wirklich wandern gehen wollen. Es wird ein heißer Tag, alle Plätze sind besetzt, es riecht nach Sonnencreme. Wahrscheinlich ist das nur die Faulheit, die sich bemerkbar macht. Da meldet sich aus dem Lausprecher Benn vom Paiute Stamm. Die Indianer seines Stammes leben in Utah in dem Bewusstsein, dass der Schöpfer sie dorthin platziert hat, um das Land zu pflegen und zu beschützen. Das macht mich neugierig, ich werde munter. Es gibt Lieder und Geschichte, welche die Indianer daran erinnern, „who we are and where we come from“. Benn lädt uns ein, darauf zu achten, während wir über die Wege wandern oder am Fluss entlang gehen. Vielleicht hören wir sie im Klang des Windes oder im Rauschen des Wassers.
Am Ausgangspunkt unserer Wanderung sind wir fast alleine, der Rucksack wird festgezurrt, die Wanderstöcke auf die rechte Länge gebracht und los geht es. Zunächst noch mühsam, die Schuhe sitzen noch nicht richtig, das Tempo müssen wir erst noch finden, Gedanken kommen und gehen, was gibt es heute zum Abendessen… Nach einer Stunde wird es ruhiger - auch in meinem Kopf, ich höre meinen Atem und spüre den steinigen Boden unter meinen Füssen.
Nach einer weiteren Stunde entdecken wir sie: eine „bristlecone pine“ – knorrig und verwachsen, sie ist anders als eine schön gerade gewachsene Kiefer aus der Baumschule. Diese langlebige Kiefer ist vermutlich 1600 Jahre alt. Das Besondere an diesem Baum ist, dass er sehr robust ist und Wind und Wetter strotzt. Wenn ein Ast abstirbt, vergeht nicht die ganze Kiefer. Die noch vorhandene „Lebensenergie“ sucht einen Weg, fließt in einen anderen Zweig und lässt den Baum weiter wachsen. Dadurch dreht und windet er sich in diese Form.
Da hat Gott sich doch etwas ziemlich tolles einfallen lassen bei seiner Schöpfung. Ein Teil eines Baumes kann sterben und der Rest lebt weiter. Genau diese Fähigkeit hat er auch uns Menschen mit auf den Weg gegeben. Wir können schlimme Zeiten erleben, sogar so heftig, dass ein Teil in uns stirbt, und gleichzeitig schenkt er uns „Lebensenergie“, die uns weiter leben lässt. Vielleicht ist das gemeint, wenn „Gott spricht: Ich schenke euch ein neues Herz und lege einen neuen Geist in euch.“ (Hesekiel 36, 26)
Ich betrachte das Bild und lächle. Danke, Benn, für diese Erfahrung. Danke, Gott, für dieses wertvolle Geschenk.
Pfrn. Lara vom Orde
Schulpfarrerin und Polizeiseelsorgerin