Evangelischer Kirchenkreis Lübbecke

Worte der Besinnung vom 08. Juli 2023

Pfarrerin Petra Ottensmeyer

Mit leichtem Gepäck

Er ist groß und schwarz und ultraleicht. Mein Koffer. Er fasst etwa 20 kg. Das klingt nach einer ganzen Menge. Aber, Sie ahnen es: Wenn’s ans Packen geht, sind zwanzig Kilo gar nicht so viel. Grübelnd stehe ich da und muss mich entscheiden: Ob die Menge an T-Shirts ausreicht. Ob ich die richtigen Schuhe eingepackt habe. Und dann nehme ich seufzend das geblümte Kleid wieder raus, um Platz zu machen für das Strandtuch. Vor ein paar Jahren hat sich mein Problem ganz von allein gelöst.

Wie immer habe ich den Platz im Koffer voll ausgenützt. Noch im Flugzeug überlege ich, ob ich an alles gedacht habe. Ob ich für die Reise in den Süden nicht doch besser noch die blaue Fleecejacke hätte einpacken sollen. Nach der Landung stehe ich in der Gepäckhalle und recke den Hals, um meinen Koffer vom Förderband zu angeln. Aber er ist nicht dabei. Erst als der letzte Koffer verschwunden ist, dämmert mir: Mein Koffer ist nicht da, wo ich bin. Bis die Reisegesellschaft es schafft, meinen verlorenen Koffer ausfindig zu machen und mir zu übergeben, vergehen fast vier Tage. Zuerst bin ich nur genervt, aber am zweiten Tag mache ich eine interessante Entdeckung: Mit dem, was ich am Leib trage und ein paar Dingen, die ich im Minimarkt um die Ecke erstehe, komme ich klar. Und bei sechsundzwanzig Grad im Schatten fehlt mir auch die blaue Fleecejacke nicht. Vielleicht ist das nicht nur im Urlaub so. Vielleicht schleppe ich auch in meinem Leben oft zu viel mit mir herum. Denke dies oder jenes, brauche ich unbedingt. Und merke gar nicht, wie viel Ballast mein Leben beschwert. Und dabei denke ich nicht nur an die materiellen Dinge, die sich im Keller, im Wäscheschrank und im Bücherregal so ansammeln. Auch meine Seele plagt sich mit Ballast. Mit Aufgaben, Verpflichtungen und häufig mit Sorgen, die gar nicht sein müssten. Die heimlich ins Lebensgepäck huschen und so tun, als seien sie unverzichtbar. Dabei sind viele davon so wenig notwendig wie dicke, blaue Fleecejacken im Süden. Vielleicht ist es also Zeit für eine ganz andere Art von Auszeit. Auszeit vom „zu viel“. Um nicht nur ein paar unbekümmerte Wochen im Jahr zu genießen, sondern mit leichtem Gepäck durch den Alltag zu reisen.


Pfarrerin Petra Ottensmeyer