Evangelischer Kirchenkreis Lübbecke

Worte der Besinnung vom 06. Mai 2023

Kerstin Böger-Fischer, Jugendreferentin im Kirchenkreis Lübbecke

Schande, Schande, Schande skandiert das Volk als die intrigante Königin Cersei Lannister aus „Games of Thrones“ nackt von ihren Gegner durch die Straßen von King’s Landing getrieben wird. Es ist ein langer Weg, den sie vor sich hat und man leidet - trotz ihrer Bosheit - schon ein bisschen mit ihr. Die Schande, die Scham soll sie läutern. Doch es passiert das Gegenteil: die Scham, die sie erfährt, facht ihre Wut noch an und sie schwört Rache.
Scham ist ein starkes Gefühl, das wir auch körperlich spüren. Wer kennt nicht Situationen, die einen heiß und kalt werden lassen und in denen man sich wünscht, dass die Erde sich auftuen möge und einen verschlingt. Alles besser als diese Demütigung zu ertragen. Das Kind, dass für seine Schwächen Häme statt Verständnis erfährt, der Angestellte, der vom Chef für einen Fehler bloßgestellt wird, der Witz in der Clique, der auf unsere Kosten ging, … eine unendlich lange Liste. Scham begleitet den Menschen ein Leben lang.

Scham ist eine „tabuisierte Emotion“, so der Buchtitel von Sozialwissenschaftler Stephan Marks, der sich seit Jahrzehnten mit der Scham beschäftigt.
Scham belastet uns immer dann, wenn andere uns be-schämen. Wenn ich mich von Menschen missachtet und mich nicht zugehörig fühle, meine Grenzen verletzt werden, meine Identität infrage gestellt wird.
Wenn Scham nicht zur Be-Schämung wird, hat sie eine unverzichtbare Funktion für uns: sie hat uns zu den Menschen gemacht, die wir sind. Scham ist die Tür, hinter der sich neue Entwicklungsmöglichkeiten verbergen. Sie schützt uns davor zu viel von uns preis zu geben. Scham bewahrt uns davor uns zu entmenschlichen. Scham ist eine Wächterin der Würde, weil sie anzeigt, wenn Grenzen verletzt werden. Die Würde des Menschen ist unantastbar. Die Scham meldet sich, wenn die Gefahr besteht, dass die Würde angetastet wird. Menschen, die die Würde anderer antasten sind selbst Menschen deren Würde angetastet wurde. Wenn wir ehrlich sind, kennen wir das: Ist das Maß an der eigenen Scham voll, möchte man andere beschämen: Menschen, die einfach anders sind oder scheinen. Wenn Scham zur Beschämung wird, ist das nur schwer auszuhalten. Beschämung ist ein Machtinstrument, um Menschen klein zu halten, welches auch Diktatoren benutzen. Es ist wichtig sich mit seiner eigenen Scham auseinander zu setzen: es heilt und trägt zum guten Miteinander bei.
Jesus hat sich den Menschen, die von anderen beschämt wurden, zugewandt. Er sah sie in ihrer Scham, in ihrer Beschämung durch andere. Die Frau am Brunnen, den Zöllner, den Aussätzigen, Petrus, der ihn verriet und so viele andere. Jesus nutzte ihre Beschämung nicht aus, um sie gefügig zu machen. Er gab ihnen ihre Würde zurück in dem er sie von ihrer Be-Schämung befreite. Er tat dies, in dem er sie anschaute und sie wahrnahm. Er gab ihnen ein Gefühl der Zugehörigkeit; er schloss sie nicht aus. Er achtete ihre Grenzen und gab ihnen Identität.



Kerstin Böger-Fischer, Jugendreferentin im Kirchenkreis Lübbecke