Evangelischer Kirchenkreis Lübbecke

Worte der Besinnung vom 04. Februar 2023

Pfarrer Michael Beening

Worauf vertraust Du? Was gibt Dir Sicherheit in Deinem Leben? Was möchtest Du Dir auf jeden Fall so lange wie möglich erhalten und bewahren? – Deine Leistungsfähigkeit und Kraft? Deine Intelligenz und gute Auffassungsgabe? Deine Ansichten und Meinungen? Deinen Glauben gar? Oder Deinen Gerechtigkeitssinn?

In unserem biblischen Leitwort für die kommende Woche begegnet uns ein Mann, der Rückschau hält auf sein Leben, auf sein Ergehen, auf seinen Weg.
Viele kennen wahrscheinlich die spannenden Geschichten von Daniel noch aus dem Kindergottesdienst. Wie er mehrere Male zum Tode verurteilt worden ist wegen seiner unerschütterlichen Treue zu Gott und wie er jedes Mal aus Todesgefahr errettet wurde: als er mit seinen Freunden im Feuerofen verbrannt werden sollte, konnten ihnen die Flammen nichts antun. Als der König Nebukadnezar ihn in die Grube mit hungrigen Löwen werfen ließ, haben die wilden Tiere ihm kein Haar gekrümmt! So oft ist Daniel in Lebensgefahr geraten – wegen seines Glaubens an den einzig wahren Gott. Wäre ich in seiner Situation gewesen, so hätte ich mir und auch meinem Gott bestimmt irgendwann mit ziemlicher Verbitterung die Frage gestellt: „Womit habe ich das eigentlich verdient?“

Diese Frage ist den meisten Menschen nicht fremd. Manchmal wird sie uns gestellt und manchmal stellen wir sie uns selber! Dann fällt uns Vieles ein, was nicht so gelaufen ist, wie erwartet oder erhofft. Dann denken wir an schwere Zeiten, die wir erleben mussten und an traurige Abschiede, die uns nicht erspart worden sind. Dann fallen uns Lebensabschnitte ein, in denen die Kraft am Ende und wir am Boden zerstört waren. Dann haben auch wir so gefragt – andere Menschen oder uns selber und vielleicht sogar Gott: „Womit habe ich das eigentlich verdient?“
Dahinter aber steht das Bild eines ständig unzufriedenen Gottes, der nur meine Fehler sieht, der immer wieder zornig wird und der sich ständig neue Strafen für mich ausdenkt, auch wenn ich mir selber manchmal gar keiner Schuld bewusst bin. – „Womit habe ich das verdient?“

Aber wenn wir schon so fragen, dann sollten wir auch die andere Seite der Medaille nicht vergessen und die guten Erfahrungen im Leben bitte ebenfalls berücksichtigen: „Womit habe ich es verdient, dass mein Gott mich immer wieder bewahrt hat? Womit habe ich die Liebe verdient, die mir geschenkt worden ist und die Partnerschaft, die mein Leben wertvoll gemacht hat? Womit habe ich die Genesung nach schwerer Krankheit verdient und die guten Ärzte, die mir helfen wollten und konnten? Womit habe ich meinen Beruf verdient, der mir neben mancher Last auch immer wieder Sinn und Erfüllung geschenkt hat? Womit habe ich es verdient, dass ich immer wieder neue Kraft gefunden habe, aufzustehen und weiterzumachen? Womit habe ich es verdient, dass ich in all dem, was mir begegnet ist, mein Gottvertrauen nicht verloren habe?“
Wer staunend auch diese Fragen stellt, hat ein anderes Gottesbild vor Augen oder im Herzen: das Bild eines Gottes, der da ist, wenn ich IHN brauche, der mir zur Seite steht, wenn ich es allein nicht mehr schaffe. Das Bild eines Gottes, der nicht richten, sondern vergeben will. Das Bild eines Gottes, für den ich kein Spielball oder einer unter Vielen bin, sondern SEIN geliebtes Kind, dass ER führt und rettet und dem ich so viel bedeute, dass ER für die ewige Gemeinschaft mit mir sogar SEINEN Sohn geopfert hat.

Daniel schaut nicht nur zurück, sondern er blickt auch auf das, was ihm noch geblieben ist und was jetzt sein Herz erfüllt. Das benennt er klar und deutlich: „Wir liegen vor dir mit unserem Gebet und vertrauen nicht auf unsere Gerechtigkeit, sondern auf deine große Barmherzigkeit.“ Daniel 9,18

Da sind sie wieder – die Fragen vom Anfang: „Worauf vertraust Du? Was gibt Dir Sicherheit in Deinem Leben? Was möchtest Du Dir auf jeden Fall so lange wie möglich erhalten und bewahren?“ - Wenn es menschliche Gerechtigkeitsvorstellungen wären, dann hätte auf jeden Fehler, auf jede Schuld, auf jedes Versagen die „gerechte Strafe“ Gottes folgen müssen.


Pfarrer Michael Beening