Evangelischer Kirchenkreis Lübbecke

Worte der Besinnung vom 03. September 2022

Pfarrer i. R. Adalbert Detering

Wort der Besinnung

Wenn dieses Wort der Besinnung erscheint, befinde ich mich gerade ein paar Tage im Ruhestand. Mit dem beruflichen Abschiednehmen ist auch ein Stück weit verbunden, Bilanz zu ziehen. Was ist am Ende das, was bleibt und was zählt? Als ich den Monatsspruch für den Monat September las, wusste ich: Das ist es! Er heißt:

Gott lieben, das ist die allerschönste Weisheit. Sirach 1,14

Dieser schöne weisheitliche Spruch ist die Zusammenfassung des Nachdenkens eines weisen Menschen, Jesus Sirach, über Gott und die Welt. Er lebte in der Zeit zwischen dem Alten Testament und dem Neuen Testament. Nach Martin Luther sind die sogenannten apokryphen Bücher, die zwischen den Testamenten verfasst wurden und nicht in jeder Bibel zu finden sind, zwar nicht der Bibel gleich zu stellen, aber dennoch gut zu lesen.
Das Fazit des Nachdenkens Sirachs ist: Das, worauf es ankommt im Leben, ist letztlich Gott zu lieben. Dadurch ordnet sich das Leben aufs Beste und Schönste, auch wenn nicht alles perfekt und gut läuft. Aber für ihn ist es auf jeden Fall besser und schöner, als andere Lösungen und Wege zu suchen und zu gehen. Darum ist Gott zu lieben weise. Andere Lösungen und Wege mögen vielleicht nicht schlecht sein. Aber die Einsicht, dass alles Wesentliche zusammengefasst ist, wenn man Gott liebt, empfiehlt er als die allerschönste. Denn sie bringt auch alles andere zum Glänzen. Auch die negativen Dinge bekommen dadurch noch etwas vom Glanz dieser Gottesliebe ab. Der Apostel Paulus nimmt das auf, wenn er sagt: „Wir wissen aber, dass denen, die Gott lieben, alle Dinge zum Besten dienen, denen, die nach seinem Ratschluss berufen sind.“ (Römer 8,28) Also auch das Negative schlägt denen, die Gott lieben, zum Besten aus. Ich hörte vor kurzem als Hörbuch die Lebensgeschichte der holländischen Christin Corrie ten Boom, in deren Haus im zweiten Weltkrieg Juden versteckt waren. Die Familie ten Boom wurde verraten und sie selbst kam dann anschließend mit ihrer Schwester in ein Konzentrationslager. Dort erlebten sie viel Schreckliches: Sie waren eng zusammen gepfercht, von den Wärtern drangsaliert und von Flöhen in der Baracke gepiesackt. Aber sie konnten eine Bibel dort hineinschmuggeln und daraus immer wieder neu Hoffnung ziehen und anderen Hoffnung geben. Dass das möglich war, lag auch daran, dass die Baracke von den meist brutalen und unnachsichtigen nationalsozialistischen Aufseherinnen kaum kontrolliert wurde. In einer verzweifelten Situation wurden sie durch das Lesen der Bibel daran erinnert, Gott alle Zeit für alles zu danken. Wofür soll man jetzt denn noch danken, schoss es ihnen zunächst durch den Kopf. Aber die Schwester fing an: Dass wir beide hier noch zusammen sein können, dass wir die Bibel haben. Eins nach dem anderen kam ins Bewusstsein und ins Gebet, bis ihre Schwester auch für die Flöhe dankte. Das war für Corrie dann doch zu viel. Aber im Nachhinein stellte sich heraus, dass sie gerade in dieser Baracke ziemlich unbeaufsichtigt waren und dadurch eine gewisse Freiheit hatten, weil die Baracke berüchtigt war für ihre Flöhe und keine der Wärterinnen sich deshalb da hinein traute. So hat Gott manchmal seine besonderen Wege mit uns: Was schlecht scheint, ist am Ende doch gut. Und ganz am Ende sowieso, wenn wir Gottes ewige Herrlichkeit erleben werden.

So wünsche ich uns allen, dass die allerschönste Weisheit, Gott zu lieben, unser Leben bestimmen möge und dadurch Segen erfahrbar werde – wenn möglich allerdings ohne Flöhe, böse Menschen und Konzentrationslager.


Adalbert Detering