Evangelischer Kirchenkreis Lübbecke

Worte der Besinnung vom 03. Oktober 2020

Pfarrerin Christina Laabs

„Dinge ändern sich!“- siehe Kommunalwahlen. Die einen sind über das Wahlergebnis enttäuscht, die anderen erfreut. Mancherorts gab es eine große Überraschung. Erfreulich ist, dass sich Verlierer und Sieger, Gewinnerinnen und Scheidende nach der Wahlentscheidung überall mit Respekt begegnet sind.
In meiner Jugend hätte ich nicht geglaubt, dass sich Parteien einmal so aufeinander zu bewegen könnten. Als Bayerin habe ich noch lebhaft vor Augen, wie Franz Josef Strauß über die Grünen herzog und vor den Sozialisten warnte. Gut, dass sich da im Umgang miteinander etwas geändert hat! Auch, wenn man schon gar nicht mehr darauf zu hoffen wagte.
Heute feiern wir den Tag der deutschen Einheit. Nach 40 Jahren Trennung wurden Ost- und Westdeutschland wieder miteinander vereinigt. Zuvor war am 9. November 1989 die Grenze geöffnet worden. Etwas, das wir lange nicht für möglich gehalten hatten, war passiert und überall, besonders in Berlin, wurde dieses Ereignis euphorisch gefeiert. Eine Freundin war kurze Zeit zuvor über Prag in den Westen geflüchtet. Was ihr den Mut dazu gab, war ihr Wille, etwas zu ändern. Zu oft hatte sie ihre Meinung frei geäußert und war im sozialistischen Staat angeeckt. Zu oft hatte sie sich als Christin geoutet und war deswegen im Schulalltag benachteiligt worden. Später erfuhr sie, dass sie schon seit ihrem 16. Lebensjahr überwacht wurde und es eine Stasi-Akte über sie gab. Schließlich rettete sie aber gerade ihre Verbindung zur Kirche: Als sie im Zug nach Prag saß, wurde sie von der Volkspolizei überprüft. Sie konnte jedoch eine Adresse einer christlichen Herberge in Prag als ihr Ziel angeben und durfte weiterfahren, während andere Mitreisende den Zug verlassen mussten. Als sie schließlich im Westen ankam, konnte sie sofort bei der Diakonie arbeiten. Dort lernte sie eine Frau kennen, die ihr einen Ausbildungsplatz vermittelte. Sie heiratete, bekam einen Sohn und arbeitet schon viele Jahre bei der Kirche.
„Ich bin nur dankbar, dass sich Dinge ändern lassen! Dass ich nach all der Unfreiheit Freiheit erleben darf!“, sagt sie 30 Jahre nach ihrer Flucht.
Dinge ändern sich – Gott sei Dank! Wir müssen nur den Mut aufbringen, uns auf den Weg zu machen. Mir schenkt diesen Mut Gottes Wort. Wie dieses: „Unser Glaube ist der Sieg, der die Welt überwunden hat!“ (1. Joh 5,4)
Das Vertrauen auf Gottes Hilfe gab meiner Freundin trotz aller Angst die Kraft, an ihrer Situation etwas zu ändern. Ich wünsche Ihnen, dass Gottes Zuspruch Ihnen den Mut schenkt, sich auf neue Wege zu begeben und das, was Sie bisher gefangen hielt, hinter sich zu lassen. Sodass sie voller Überzeugung sagen können: „Danke, Gott, dass Du mit mir unterwegs bist und mir hilfst, sogar über Mauern zu springen!“

Herzlichst


Kristina Laabs
Pfarrerin des Pfarrbezirkes Oberbauerschaft