Evangelischer Kirchenkreis Lübbecke

Worte der Besinnung vom 01. Juli 2023

Pfarrer Klaus-Hermann Heucher

Entlaste dich!

Der Wochenspruch für die kommende Woche ist garantiert vielen bekannt: „Einer trage des andern Last, so werdet ihr das Gesetz Christi erfüllen“, schreibt der Apostel Paulus im Galater-Brief Kapitel 6, Vers 2. Auch manche jungen Brautpaare wünschen sich diesen Vers, den sie dann so zitieren: „Einer trage des andern Last.“ – Punkt. Vielleicht ist dieser Satz so beliebt, weil er scheinbar auch unsere deutsche Leistungsmentalität widerspiegelt. Doch dieses sprichwörtliche „Geben ist seliger als nehmen“ hat unter uns teils absurde religiöse Züge bekommen, die rote Linien überschreitet. Oft schon habe ich bei hochbetagten, aber fitten Geburtstagsjubilaren diesen Satz gehört: „Also Herr Pastor, noch geht’s mit mir gut. Aber wenn mal der Punkt kommt, wo ich nicht mehr kann, dann will ich auch nicht mehr leben. Ich möchte keine Belastung sein für andere.“ Falls es gerade passt widerspreche ich dann deutlich: was Sie gerade gesagt haben, das ist ein zutiefst unchristlicher (!) Satz! Das ist das Gegenteil dessen, was wir als Christen glauben und was uns auch stark gemacht hat! Und darum müssen wir wieder verstärkt auf die zweite Hälfte des Verses blicken: „…SO WERDET IHR DAS GESETZ CHRISTI ERFÜLLEN“. Es ist die Erinnerung Jesu an das höchste Prinzip, das schon im 5. Buch Mose steht, Kapitel 6, Vers 4: „Höre Israel, der HERR unser Gott ist einer, und du sollst den HERRN, deinen Gott, lieben von ganzem Herzen, von ganzer Seele mit allen deinen Kräften, UND du sollst deinen Nächsten lieben wie dich selbst.“ Wir können Gott nicht direkt sehen, aber wenn du deinen Nächsten liebst, wie dich selbst, dann liebst du Gott. Das ist dieses Dreieck: Gott – Du – ich. Und alles muss in Beziehung zueinanderstehen. Trotzdem gibt es in jeder Kirchengemeinde Leute, die so viel für andere tun, dass sie sich selbst darüber vergessen, ihre Kräfte verzehren. Weil sie vergessen haben auf sich selbst zu hören. Oder Menschen mit der falschen Bescheidenheit, weil sie Hilfsangebote oder Einladungen verlegen machen. Und da rückt Paulus die Töpfe wieder gerade: Jesus von Nazareth feierte gerne, oft ließ er sich einladen, er genoss kurz vor seinem Tod die verschwenderische Salbung einer Frau mit atemberaubend teurem Nardenöl! Lernt von Kindern & lasst euch beschenken, empfahl Jesus! Für uns bedeutet das, dass beides immer zusammenkommen muss: Tragt andere, so wie ihr es, wenn ihr etwa Kinder großzieht, tut. Und wenn ihr, ob mitten im Leben oder am Ende, Hilfe braucht: Lasst euch tragen! Lasst euch pflegen! Bleibt dabei: Du bist es wert! Das ist Gottes Wille.


Pfarrer Klaus-Hermann Heucher