Evangelischer Kirchenkreis Lübbecke

Worte der Besinnung für den 8. Januar 2022

Pfarrerin Katharina Wortmann

Ein Gleichnis aus dem Matthäusevangelium, dass für den Gottesdienst am letzten Abend des Jahres vorgesehen ist, hat mich beeindruckt und ist mir bis jetzt nachgegangen.

Das Gleichnis geht so: „Das Himmelreich gleicht einem Menschen, der guten Samen auf seinen Acker säte. Als aber die Leute schliefen, kam sein Feind und säte Unkraut zwischen den Weizen und ging davon. Als nun die Halme wuchsen und Frucht brachten, da fand sich auch das Unkraut. Da traten die Knechte des Hausherrn hinzu und sprachen zu ihm: Herr, hast du nicht guten Samen auf deinen Acker gesät? Woher hat er denn das Unkraut? Er sprach zu ihnen: Das hat ein Feind getan. Da sprachen die Knechte: Willst du also, dass wir hingehen und es ausjäten? Er sprach: Nein, auf dass ihr nicht zugleich den Weizen mit ausrauft, wenn ihr das Unkraut ausjätet. Lasst beides miteinander wachsen bis zur Ernte; und um die Erntezeit will ich zu den Schnittern sagen: Sammelt zuerst das Unkraut und bindet es in Bündel, damit man es verbrenne; aber den Weizen sammelt in meine Scheune.“

Da ist die gute Saat, der Weizen, aus dem Brot gebacken wird. Für Pasta und Pizza braucht man ihn auch. Der Weizen steht also für das Gute, das was Freude macht und nährt und köstlich ist.

Da ist das Unkraut. Das, bitter und schwer verdaulich, oder sogar ungenießbar und giftig ist.

So geht es ja zu im Leben: Beides steht nebeneinander.

Da gibt es gute und schöne Erlebnisse. Ich habe Glück. Schöne Dinge passieren. Andere Menschen sagen mir Worte, die mir guttun. Und andere Menschen unterstützen mich und helfen mir.

Es war im vergangenen Jahr so. Und es wird in diesem Jahr wieder so sein.

Und dann gibt es auch die schmerzvollen Erfahrungen. Da gehen Dinge richtig schief. Und andere Menschen sagen mir Worte, die mich verletzen wie Dornen. Oder tun etwas, das mir schadet.

So war es in 2021. Und so wird es auch in 2022 wieder sein.

Das Unkraut wächst neben dem Weizen – das ist nichts Neues.

Für mich ist das Erstaunliche an diesem Gleichnis, dass beides nebeneinander wachsen soll – gleichberechtigt. Das Unkraut soll nicht entfernt werden.

Es soll aufwachsen wie der Weizen. Das Gute neben dem Schlechten.

Der Grund dafür ist einfach: Es ist nicht so leicht zu unterscheiden – das Unkraut vom Weizen, das Gute vom Schlechten.

Auch das Leben übertragen heißt das doch: Warte erst einmal ab, was aus der Saat wird. Es ist nicht sofort zu erkennen, ob es letztlich gut ist oder schlecht, was dir im Leben widerfährt. Nimm beides erstmal an. Lass beides nebeneinanderstehen und wachsen. Es braucht Zeit – manchmal viel Zeit – bis wirklich zu erkennen ist, welche Erfahrungen, welche Ereignisse für dein Leben wirklich gut waren. Vielleicht ist es das, was mir zuerst bitter schmeckt, was mein Leben letztlich gehaltvoller macht.


Pfarrerin Katharina Wortmann