Worte der Besinnung vom 30. Juli 2022

Der falsche Fuß

Auf der Fahrt zum Wandern in den Alpen hatte ich die spontane Idee, in einem prächtigen Wallfahrtsort Halt zu machen. Wie jeder Tourist schaute ich mir mit großen Augen die Geschäfte für christlichen Bedarf an. Von oben bis unten gefüllt mit christlichen Symbolen, Tränken, Salben, Düften und religiösen Objekten. Die nette Verkäuferin erklärte mir ein paar Sachen. Sie erzählte auch von ihren religiösen Erfahrungen. Dann standen wir vor dem Rollregal mit Kreuzen zum Umhängen. Ich würde schätzen, dass es in dem Geschäft mindestens 500 Kreuze gab, in jeder erdenklichen Ausführung. Kreuze überall. Ich fragte sie, ob sie erlöst sei. Da stutzte sie, schaute mich verwundert an. Mit dieser Frage konnte sie nichts anfangen. Ich hatte sie offensichtlich auf dem falschen Fuß erwischt.

Ich wollte diese fragende Stille überbrücken und erwähnte, dass Jesus das mal gesagt hatte: "Ich gebe mein Leben als Lösegeld" (Markus 10,45). In den Augen meiner Gesprächspartnerin zeigte sich kein Wiedererkennen. Sie antwortete, ihr Glaube sei mehr aus dem Bauch heraus - Glaube sei ja eine Gefühlssache - und Gefühl ist ja bei jedem anders und eben individuell, so unterschiedlich, wie wir Menschen nun mal sind. Und wer wollte ihr das bestreiten, dass Menschen unterschiedlich sind? Und dass das auch gut so ist. Ich respektiere auch jeden Menschen, unabhängig davon, was er glaubt bzw. nicht glaubt. Für mich war es nur überraschend, jemanden kennenzulernen. der Tag für Tag von hunderten Symbolen des Kreuzes umgeben ist, aber völlig uninformiert darüber, was das Kreuz bedeutet. Jemand hat das Christsein zur eigenen Religion erwählt, aber den alles entscheidenden Kern gar nicht erfasst: Jesus nahm meine Schuld auf sich und starb am Kreuz den Tod, den ich verdient hätte. Weil er meine Strafe trug, muss ich nicht in die Verdammnis. Weil er er sein Leben als Lösegeld gab, darf ich erlöst sein. Das ist die Botschaft der Befreiung und der Freude. Das ist die Botschaft Jesu.

Dann klingelte es, und eine neue Kundin betrat das Geschäft. Ich kaufte noch schnell etwas, verabschiedete mich und verbleibe in der Hoffnung, dass noch viele Christen erlöst werden.

Pastor Matthias Müller, Freie evangelische Gemeinden Lübbecke