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Gott sei Dank wird es langsam besser, denn ich erlebe zunehmende Unzufriedenheit bei mir selbst und bei vielen anderen: so vieles, was immer noch nicht wieder so geht wie „vor Corona“, keine großen Feste, kein gemeinsames Singen oder Fußballspielen, Maske tragen, von der Politik getroffene Maßnahmen, die nicht immer überzeugen und dann ist auch das Wetter nicht so, wie man sich das im Mai wünscht – alles doof!
Mal abgesehen davon, dass für viele tatsächlich das wirtschaftliche Überleben oder die Gesundheit auf dem Spiel steht, ärgert mich meine Unzufriedenheit und die der anderen auch. Keiner hat sich die Situation jetzt gewünscht. Aber die allgemeine Depression im Moment zieht mich noch zusätzlich runter. Jetzt begegnete mir in einem Buch die hilfreiche Unterscheidung zwischen Bedürftigkeits-und Dankbarkeitsmodus. Bei vielen Geräten gibt es verschiedene Betriebszustände, sogenannte Modi. Wir kennen den Standby-Modus oder beim Handy den Foto- oder Telefoniermodus. Auch bei uns Menschen gibt es verschiedene Betriebsarten. Wenn wir auf die Welt kommen, sind wir im Bedürftigkeitsmodus: Wir schreien, weil wir etwas zu trinken haben oder getröstet werden wollen. Dieser Bedürftigkeitsmodus kann ganz schön lange anhalten, bei manchen Menschen ein Leben lang. Immer brauchen sie etwas, das ihn ihre Umgebung zur Verfügung stellen soll. Sie vergleichen sich mit anderen und finden, dass ihnen das Gleiche zusteht. Wirkliche Zufriedenheit stellt sich in diesem menschlichen Betriebszustand nur für kurze Zeit ein.
Glücklicherweise gibt es einen zweiten Betriebszustand, den Dankbarkeitsmodus. Es ist gut, wenn ein Kind möglichst bald in der Lage ist, in ihn umzuschalten. Vermutlich war es für uns als Eltern ein unbewusstes Erziehungsziel, unseren Kindern die Vorzüge dieses menschlichen Betriebszustandes zu vermitteln. Im Dankbarkeitsmodus entwickelt der Mensch die Einsicht, dass die vielen Annehmlichkeiten um ihn herum nicht selbstverständlich sind, sondern das Produkt einer unüberschaubar großen Zahl von Helfern: Wie viele Menschen, Bauprojekte und Erfindungen sind z.B. daran beteiligt, dass gutes Trinkwasser einfach aus der Leitung kommt! Welcher Aufwand hinter den Kulissen ist nötig, dass ein Supermarktregal stets wie selbstverständlich mit allen Waren in ausreichender Menge gefüllt ist! Vor allem aber: Wer nur im Bedürftigkeitsmodus lebt, kann keinen Luxus empfinden. Jedes Bedürfnis, das gestillt wird, ruft ein weiteres Bedürfnis hervor. Und da haben wir uns in den letzten Jahrzehnten an ganz vieles gewöhnt, das früher ganz und gar nicht selbstverständlich war, wie z.B. sauberes fließendes Wasser und gefüllte Regale. Eine Spirale ohne Ende: was gestern Luxus war, ist heute Standard.
Im Laufe des letzten Jahres haben wir gemerkt, dass doch nicht alles so selbstverständlich ist. Vielleicht ist das die Chance dieser Pandemie: Den Modus wechseln! Dankbar sein. Erkennen, an wie vielen Stellen ich als selbstverständlich ansehe, was für den Großteil der Menschen ganz und gar nicht selbstverständlich ist. Luxus als Luxus dankbar annehmen. Ich will stärker in den Dankbarkeitsmodus gehen. Bei unseren Enkelkindern erlebe ich im Moment, wie sie es genießen, wenn sie selber etwas machen können. Mit ihren immer noch eingeschränkten Möglichkeiten präsentieren sie mir stolz, was sie entdeckt oder gemacht haben. Zu erleben, dass und wie ich selber etwas tun und verändern kann, tut gut, den Kleinen wie den Großen. Und das geht auch jetzt, in dieser elend langen Pandemie. Trotz und mit allen Einschränkungen meine kleinen Spielräume nutzen, gucken, was geht. Gucken, was gut tut, mir und anderen. Und bei all dem spüren: „Es ist ein köstlich Ding, Gott zu danken“ (Psalm 92, 2)