Evangelischer Kirchenkreis Lübbecke

Worte der Besinnung für den 29. Februar 2020

Pfarrerin Gerda Gödde

Kennen Sie das Stoßgebet der Zahnärzte? „Herr, gib mir Mut zum Brückenbauen“ Ein Lied, das im Evangelischen Gesangbuch steht, an der Nummer 669. Es kam mir in den letzten Tagen immer wieder in den Sinn – beim Zahnarztbesuch. Ich gebe zu, ich habe Angst vorm Zahnarzt. Dabei habe ich einen sehr netten Zahnarzt; der hat mir auch genau erklärt, warum man Angst vorm Zahnarzt hat, und er tut alles, um mir die Angst zu nehmen. Trotzdem kostet es mich Überwindung, zum Zahnarzt zu gehen… Dass ich als Patientin Angst habe, vorm „Brückenbauen“ in meinem Mund, mag verständlich sein. Aber was hindert uns eigentlich daran, Brücken zu bauen zu anderen Menschen? Warum tun wir uns oft so schwer, Gräben zu überwinden, die zwischen uns und anderen eingefressen sind? Zwischen uns und Menschen aus anderen Ländern. Zwischen Menschen verschiedener Religionen. Zwischen uns und politisch Andersdenkenden… Auch da braucht es Mut. „Mut zum ersten Schritt“, wie es im Lied heißt. Mut, unbekannten Grund zu betreten. Mut, mit fremden Menschen ins Gespräch zu kommen – damit sie eben nicht mehr fremd bleiben, sondern Bekannte, vielleicht sogar Freunde werden können. Wie wichtig das ist – und wie notwendig, das haben wir in jüngster Zeit wieder erfahren müssen. Wenn jemand meint, das „Fremde“ muss ausgelöscht werden, und zur Waffe greift – dann sind wir mit Recht schockiert. Dass derartiges Gedankengut heute wieder anfängt, salonfähig zu werden, finde ich bedrohlich. Ich denke an die Zeit, in der in Deutschland von „unwertem Leben“ die Rede war – und man mit allen Mitteln versucht hat, dieses „wertlose“ Leben auszulöschen. Grauenvolle Erinnerungen. Es fängt an damit, dass Menschen das Gespräch mit Andersdenkenden abbrechen, dass Gräben aufgerissen werden, wo eigentlich keine hingehören. Damals musste man Mut haben, wenn man trotzdem Brücken bauen wollte zu den Ausgestoßenen – viele hatten den Mut nicht.  Ich weiß nicht, ob ich ihn gehabt hätte. Umso wichtiger wird es in unserer Zeit, das Gespräch zu suchen. Und das ist nicht etwas, was wir den Politikern überlassen können – den Brückenbau zum Nächsten, den müssen wir alle gemeinsam leisten. Es kann sein, dass das viel weniger Überwindung kostet als der Besuch beim Zahnarzt – ob wir es mal probieren? „Herr, gib mir Mut zum Brückenbauen, gib mir den Mut zum ersten Schritt. Lass mich auf Deine Brücken trauen – und wenn ich gehe, geh du mit!“

 

Gerda Gödde, Pfarrerin im Vertretungsdienst im Kirchenkreis Lübbecke