Evangelischer Kirchenkreis Lübbecke

Worte der Besinnung für den 28. Dezember 2019

Eberhard Helling; Pfarrer in Lübbecke

Der heutige Tag macht auf erschreckende Weise klar, dass Weihnachten in der alten Tradition nie ein Fest für Idylle, nie eine Flucht aus der Wirklichkeit war. Zumindest dann nicht, wenn man den biblischen Erzählungen gefolgt ist. In der kirchlichen Tradition ist der 28. Dezember ein besonderer Erinnerungstag. Er wird als der „Tag der unschuldigen Kinder“ bezeichnet. Gleich nach der Geburtsgeschichte berichtet der Evangelist Matthäus von einer unfassbar grausamen Aktion. Die Geburt des neuen Königs in Bethlehem ist im ersten Evangelium völlig unspektakulär verlaufen. Matthäus erzählt ganz einfach: da, in Bethlehem ist sie geschehen. Lediglich die Sache mit der Vaterschaft: Gott oder Josef, das musste erst noch durch einen Traum, den Josef hatte, geklärt werden. Aber dann tritt der andere König auf, der richtige König, der, der im Land das Sagen hat und dem alle gehorchen, König Herodes – bekannt für das eine politische Ziel: Machterhalt; und für seine Methoden, hemmungslos, zumeist blutig. Der bekommt durch merkwürdige Fremde mitgeteilt, dass ein neuer König geboren sein soll. Diese merkwürdigen Leute schickt der König los, sie mögen diesen neunen König für ihn finden – er wolle auch diesem neuen König seine Aufwartung machen… bestimmt…!
Die merkwürdigen Fremden finden den neuen König zwar in Bethlehem, sagen dem alten König aber lieber nichts. Sie verschwinden. Der alte wird unruhig. Ein neuer König – und er weiß nichts davon..?! Da gibt es nur eins: alle männlichen Kinder im Umkreis von Bethlehem, die unter 2 Jahren alt sind, sollen getötet werden. Der König befiehlt es, Soldaten marschieren und sie führen den Befehl aus.
Außerhalb der Bibel, bei anderen antiken Schriftstellern gibt es keinen weiteren Beleg für diese grausame Aktion des Königs Herodes. Man kann es ihm, nach allem, was wir von ihm wissen, schon zutrauen. Aber eindeutig belegen, dass es zu diesem Massenmord an Kindern gekommen ist, können wir nicht. Dafür gibt es genug andere Belege, wozu Menschen in der Lage sind und was mit Unschuldigen geschieht. Ich erspare ihnen und mir, Namen und die Zahlen aufzuführen. Ein Blick in die Homepages von „Ärzte ohne Grenzen“, „Gesellschaft für bedrohte Völker“, „amnesty international“ oder „Brot für die Welt“ reicht, um das ein wenig zu veranschaulichen – es geschieht noch heute.
Und genau in diese Welt kommt der neue König. Er sucht sich kein geschütztes Plätzchen, um seine Herrschaft auszubauen und zu festigen. Der neue König zieht in keinen Palast ein, er hat auch keine Leibwächter um sich herum. Er kommt an einem völlig ungeschützten Ort zur Welt und will offensichtlich genau da seine eigene Herrschaft aufbauen – die Herrschaft Gottes, die niemals mit Waffengewalt einhergehen wird. Es ist schon jetzt, ganz am Anfang abzusehen, dass die ganze Geschichte nicht gut ausgehen wird. Am Ende wird dieser neue König am Kreuz sterben. Idylle sieht anders aus.
Nur … wenn dieser neue König, Jesus, geboren in Bethlehem wirklich von Gott vor ca. 2000 Jahren geschickt worden sein soll, dann ist sein Weg durch diese Welt noch nicht zu Ende. Bis heute zieht er von einem ungeschützten Ort zum nächsten, um seine Herrschaft auszubauen – er zieht bevorzugt in den ungeschütztesten Ort, den ich mir überhaupt vorstellen kann: ins menschliche Herz.


Eberhard Helling, Pfarrer in Lübbecke