Evangelischer Kirchenkreis Lübbecke

Worte der Besinnung für den 27. Juni 2020

Prädikantin Miriam Wegener-Kämper

Es gibt Tage, da bin ich gefühlt nur mit Suchen beschäftigt. „Wo ist mein Bleistift?“, „Mama, hast du das Liliane-Buch gesehen? Es muss zurück in die Bücherei!“ oder auch „Weißt du, wo der Autoschlüssel ist?“
(Mal ganz abgesehen von den Socken, die verschwinden und - wenn überhaupt - erst wieder auftauchen, wenn ihr Gegenstück nach langem Suchen und Abwarten entsorgt ist.)
An solchen Tagen komme ich mir vor wie ein Sachensucher. Das ist „Jemand, der Sachen findet, wisst ihr. Was soll es anderes sein? Die ganze Welt ist voll von Sachen, und es ist wirklich nötig, dass jemand sie findet. Und das gerade, das tun die Sachensucher.“ Diese Definition stammt von Pippi Langstrumpf, die in diesem Jahr ihren 75. „Geburtstag“ feiert. Und während sie es genießt, Sachensucher zu sein, finde ich es meistens nur anstrengend.
Verlieren, suchen, finden - ein echtes Lebensthema. Und auch das Thema des morgigen Sonntags.

Wer etwas findet, kann zufällig darauf gestoßen sein - oder hat gezielt danach gesucht. Wer auf die Suche geht (und nicht Pippi Langstrumpf heißt oder Geocacher ist), hat vorher etwas verloren und die Freude ist groß, wenn sie/ er es wiederfindet.

Es gibt unzählige Geschichten vom Verloren-Haben und Verloren-Sein. Und nicht immer wird das Verlorene wiedergefunden. Nicht immer ist am Ende alles gut - weder in der Literatur, noch im echten Leben.
Unsere von der Corona-Pandemie bestimmte Zeit ist auch eine Zeit der Verluste: Freiheit, Geld, Kraft, Gesundheit, Geduld, Aufträge, Sicherheit…
Manches, das verloren geht, ist ärgerlich - aber irgendwie zu verkraften. Doch es gibt Verluste, die nachhaltig, ja, endgültig sind. Verluste, die Gefühle wie Trauer, Wut und Ohnmacht auslösen, um die Gedanken und Fragen kreisen: „Wie soll es weitergehen? Ich halte das keinen Tag länger aus! Wird es überhaupt nicht mehr besser?!“
Wie schön wäre es, Antworten zu bekommen! Doch die, die im Moment am lautesten schreien, sind keine guten Ratgeber. Leider ist alles viel zu komplex, um so einfach zu sein.
Gerade in Zeiten wie diesen, wo nicht nur Dinge, sondern auch Pläne und Gewissheiten abhanden kommen, brauche ich vieles. Schnelle Antworten, Rat-Schläge und fromme Phrasen gehören nicht dazu!
Ich wünsche mir vielmehr jemanden, der mich, meine Verluste, mein Verlorensein ernst nimmt, der mir bei- und mit mir durchsteht - egal, wie schlimm es ist.
„Ich bin gekommen, um zu suchen und zu retten, was verloren ging.“ (Lk 19,10), sagt Jesus im Spruch für die kommende Woche. Er ist also auch ein Sachensucher! Und er sucht nicht nur Sachen, sondern vor allem Menschen. Jesus tut nicht so, als gehe nichts und niemand verloren. Schließlich weiß er selbst allzu gut, wie es sich anfühlt, verloren zu sein. Vielmehr höre ich ihn sagen: Ich sehe dich und was dir fehlt. Ich suche mit dir, für dich. Du musst da nicht alleine durch.

„Der Sturm wird immer stärker!“, so Tommy und Annika im Angesicht eines Unwetters voller Angst zu ihrer Freundin Pippi. Und die antwortet: „Das macht nichts. Ich auch!“
Ja. Der Sturm um uns ist da. Aber: Gott auch. Das tut gut.


Miriam Wegener-Kämper, Prädikantin in Nettelstedt