Evangelischer Kirchenkreis Lübbecke

Worte der Besinnung für den 25. September 2021

Pfarrer Udo Schulte

Worte der Besinnung – 25.09.2021
In fast allen Kulturen findet sich diese menschliche Weisheit: „Was du nicht willst, dass man dir tut, das füg auch keinem anderen zu.“ Ein wirklich hilfreicher Satz im Zusammenleben von Menschen und für ein friedliches Miteinander. Nicht einer anderen Person etwas zufügen, was ich selbst nicht erleben möchte. Das bezieht sich auf unser Handeln, aber auch auf unser Reden, ja sogar auf unser Denken. Uns wäre schon viel geholfen in unseren aufgeregten Zeiten - sowohl in den Familien und der Gesellschaft, aber auch in der Politik und bei der Arbeit - wenn wir diesen Maßstab befolgen würden: Möchte ich das, was ich jetzt sage oder tue, auch selbst erleben? Oder spüre ich einen inneren Widerstand? Wenn sich dieser Widerstand zu erkennen gibt, dann ist hier eine rote Ampel gesetzt, die ich nicht überschreiten sollte. Mit dieser Einstellung könnte vieles im sozialen Gefüge besser laufen und zahlreiche Konflikte würden nicht eskalieren bis zu dem Punkt, wo niemand mehr weiß, wie es eigentlich angefangen hat und wie es so weit kommen konnte.

Die „Goldene Regel“ des Miteinanders wird allerdings von einer ähnlich lautenden Aussage Jesu noch in den Schatten gestellt. Da heißt es: „Genau so, wie ihr behandelt werden wollt, behandelt auch die anderen!“ (Matthäusevangelium, Kapitel 7, Vers 12) Beide Sätze klingen sehr ähnlich, aber sind doch sehr verschieden. Geht es bei der Goldenen Regel um die Vermeidung von Eskalation mit Worten und Taten, so steht zum anderen ein positives Handeln dem Nächsten gegenüber. Jesus weist darauf hin, dem anderen Menschen etwas Gutes zu tun, und nicht nur das Böse zu vermeiden. Etwas Gutes tun, so wie ich es selbst auch wünsche – klingt einfach, ist aber wirklich herausfordernd.

Was möchte ich aber selbst erleben, damit es mir gut geht? Eine breit gefächerte Palette von Wünschen öffnet sich vor mir: Ich möchte gehört und gesehen werden, ich möchte meine Meinung sagen dürfen, ich möchte genug zum Leben haben, ich möchte mich frei entscheiden und in Freiheit leben können. An diese Wünsche anknüpfend kann ich mir selber auf die Spur kommen und wichtige Erkenntnisse auf das Miteinander anwenden. Daraus folgt unter anderem ein achtsamer Umgang in der Gesellschaft, der Einsatz und das Engagement für das Recht der anderen und das Teilen der Güter dieser Erde, die uns nur gemeinsam zur Verfügung stehen.
Jesus mutet uns Menschen etwas zu. Leicht stoßen wir an unsere Grenzen. Häufig stellen wir Vergleiche an, um anderen gegenüber besser zu erscheinen.

Aber dieser Auftrag, andere zu behandeln, wie wir selbst behandelt werden möchten, eben das Gute zu tun, entspricht der eindringlichen Botschaft vom Reich Gottes, in dem das Leben gelingen und gerade auch das Schwache zur Entfaltung kommen soll. Diesem herausfordernden Auftrag Jesu gerecht zu werden, ist für mich verbunden mit der Bitte um Gottes Hilfe für das tägliche Leben. Jesu Worte öffnen die Augen dafür, dass wir alle Menschen sind, die von Gottes Güte und Zuwendung leben. Jeden Tag darf ich leben, weil Gott selbst nicht Gleiches mit Gleichem belohnt, sondern Gott dieses Leben segnen will und unser Leben mit Gutem beschenkt, bevor wir es überhaupt verdient haben. Daher der herausfordernde Auftrag an uns: Genau so, wie ich gehandelt werden möchte, das tue ich auch den anderen.


Pfarrer Udo Schulte