Evangelischer Kirchenkreis Lübbecke

Worte der Besinnung für den 24. Oktober 2020

Pfarrer Jürgen Giszas

STEIN AUF STEIN

„Wer will fleißige Handwerker sehn, der muss zu uns Kindern gehn. Stein auf Stein, Stein auf Stein, das Häuschen wird bald fertig sein.“
Fleißige Handwerker haben zweifelsohne die Stiftskirche St. Materniani et St. Nicolai im niedersächsischen Bücken errichtet. Deren Mauerwerk besteht aus unterschiedlichen Materialien: Portasandstein, Feld- und Backsteine wurden verarbeitet. Was für nahezu alle Kirchen gilt, ist im Falle des „Bückener Doms“ mehr als augenfällig: Das Gotteshaus wurde nicht von heute auf morgen aufgerichtet! Vor gut tausend Jahren begannen die Bauarbeiten. Sie erstreckten sich zunächst bis ins 14. Jahrhundert; seinerzeit erhielt die Kirche – weitgehend – ihre noch heute sichtbare Gestalt. Aber auch in den folgenden Jahrhunderten wurden weiterhin bauliche Veränderungen vorgenommen – von den notwendig gewordenen Renovierungsarbeiten einmal ganz abgesehen.
Die Art und Weise, wie Christinnen und Christen ihren Glauben verstehen und leben – und wie sie dementsprechend ihre Gottesdienste feiern: Sie unterliegt einem steten Wandel. Und der schlägt sich eben auch in der architektonischen Gestaltung der Kirchengebäude nieder.
Man könnte geradezu meinen, unsere Gotteshäuser seien lebendig: Organismen, die sich weiterentwickeln, weil Anpassung stets aufs Neue geboten scheint!
Nun bezeichnet der Begriff „Kirche“ nicht nur Sakralbauten, sondern auch das Miteinander von Menschen, die bei Jesus in die Lehre gehen, ihm nach ihr Hiersein gestalten und Gemeinde leben.
Aber auch diese „Kirche“ ist – gleich einem Haus – letztlich aus Steinen errichtet. Und die sind in der Tat äußerst lebendig! Der Verfasser des Ersten Petrusbriefes bezeichnet Jesus als den lebendigen Grundstein besagten Gebäudes. Uns aber, die wir uns dem Erfinder von Himmel und Erde anvertrauen, ruft er zu: „Und auch ihr als lebendige Steine erbaut euch zum geistlichen Hause“ (1 Petrus 2,5)!
Der Auftrag, der uns Christinnen und Christen ins Stammbuch geschrieben steht: Uns als Bausteine einbringen – mit Leib und Seele, kreativ und tatkräftig –, um Kirche gleich einem Haus zu errichten, das den einen zur Herberge, anderen zur Heimat wird. In jedem Falle zu einem Ort, an dem man sich gut aufgehoben weiß.
Als lebendige Bausteine zu wirken, meint aber auch, offen zu sein für Veränderungen, für Abschied und Neubeginn! Bei allem Ungemach, das die Covid-19-Pandemie mit sich gebracht hat: Haupt-, neben- und vor allem ehrenamtliche Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter haben in bewundernswerter Weise neue Formen der Verkündigung entwickelt, haben Gemeinde neu buchstabiert. Gottesdienste in Stadien und auf Freilichtbühnen gefeiert – oder gar „in der Tüte“ portofrei nach Hause geliefert. Andachten auf YouTube gestellt und über Soziale Medien zur Bibelstunde eingeladen. Ratsuchenden im Chat seelsorglich zur Seite gestanden.
Steine unterschiedlicher Form und Größe, erdfarben oder backsteinrot: Wie die Basilika im niedersächsischen Bücken, so wird auch Kirche in Gänze im Laufe der Zeit vielfältiger und bunter! Und dass sie sich nicht dem Zeitgeist unterwirft, aber sehr wohl mit der Zeit geht, um – unter allen Umständen – den Menschen nahe zu sein: Das macht letztlich ihren Zauber aus! Um den aber zu bewahren, braucht es lebendige Steine, braucht es fleißige Handwerkerinnen und Handwerker! Braucht es dich und mich!


Pfarrer Jürgen Giszas
Evangelischer Kirchenkreis Lübbecke