Evangelischer Kirchenkreis Lübbecke

Worte der Besinnung für den 23. März 2024

Pfarrerin Christine Scheele

Liebe Leserin, lieber Leser,

wenn etwas zerbrechlich ist, dann gehe ich besonders vorsichtig damit um. Im vergangenen Urlaub habe ich mir einen Teebecher gekauft. Er ist vom Enkel der berühmten Bildhauerin Käthe Kollwitz getöpfert worden. Der Becher ist teuer gewesen und für mich auch wertvoll. Ich benutze ihn nur ganz vorsichtig.
Es gibt sie, diese zerbrechlichen Gegenstände. Jeder hat etwas im Schrank, das er nicht in tapsige Kinderhände geben möchte. Und trotzdem, obwohl wir so achtgeben, manchmal zerbricht ein liebgewonnenes Teil und dann wirft man es weg.
In Japan geht man anders damit um. Es ist eine Kunst und man nennt sie Kintsugi. Zerbrochene Schalen und Becher werden mit Gold repariert und dadurch auf ganz besondere Weise schön. Ich spüre da viel Achtsamkeit und liebevolle Zuwendung auch mit Gegenständen. Viele Dinge sind nicht nur Gebrauchsmittel, sondern eigentlich Lebensgefährten. Wir freuen und erinnern uns auch an besondere Geschichten, die wir mit ihnen verbinden.
Auch in der Bibel weist der Apostel Paulus auf das Zerbrechliche hin.
Wir tragen diesen Schatz in irdenen Gefäßen. So soll deutlich werden, dass unsere Kraft von Gott kommt und nicht aus uns selbst. (1 Kor 4, 7).

Die irdenen Gefäße weisen auf unser Menschsein hin. Da gehört Zerbrechlichkeit dazu. Menschen sind sterblich, sie sind unvollkommen und sie machen Fehler.
Zerbrechlichkeit hat unterschiedliche Seiten. Auf der einen Seite beherbergt sie Gottes große Kraft, auf der anderen Seite macht sie uns in ganz besonderer Weise schön. Schönheit im Unvollkommenen, im Sterblichen, Kranken?
Manchmal fällt es schwer, an Gottes Kraft zu denken.
Wenn Schwäche unser Leben lähmt, ist diese Denkweise nur schwer zu ertragen. Darin Schönheit zu erkennen ist manchmal unmöglich.
Da sind Krankheit und Schmerz, Krieg und Zerstörung, Verletzung und Enttäuschung, Trennung und Tod. Strategien des Lebens helfen oft nicht mehr das Leben zu bewältigen. Unser Selbstverständnis vom Leben ist unsicherer geworden.

Zerbrechlichkeit gehört zum Leben.
Wir atmen, trinken, essen und schlafen.
Zerbrechlichkeit macht fein, macht zart, macht schön, aber auch unsicher.
Als Jesus am Kreuz leiblich und seelisch zerbrochen wird, überschreitet Gott in seiner Zerbrechlichkeit die Grenzen unseres Seins.
Wir können erkennen: In unserer Begrenztheit lebt etwas Unbegrenztes. Gottes Kraft ist ein Schatz und sie wohnt auch mit der Zerbrechlichkeit. So wächst, wie in den Jahreszeiten, immer wieder Neues. Damit werde ich behutsamer mit mir, mit anderen, mit der Welt. Ich suche nach dem, was Kraft und Heilung in der Zerbrechlichkeit schenkt. Und ich erahne den großen Schatz, der in der Zerbrechlichkeit liegt.
Hinter der Zerbrechlichkeit scheint Gottes Gegenwart auf, in ihr überschreiten wir die Grenzen unserer Existenz.