Evangelischer Kirchenkreis Lübbecke

Worte der Besinnung für den 22. Mai 2020

Pfarrer Rainer Rohrbeck

Ein bunter Regenbogen voller Talente

In den letzten Wochen ist auf dramatische Weise spürbar geworden, worauf es wirklich ankommt. Viele unterschiedliche Gaben und Dienste sind nötig, damit es rund läuft. Auf einmal wurden Menschen, deren Arbeit sonst wenig gewürdigt wird, als „systemrelevant“ erkannt. Abends wurde ihnen applaudiert, ihre Bereitschaft, für andere unterwegs und tätig zu sein, immer wieder lobend erwähnt. Und ich bin froh und dankbar, dass es bei uns bisher dank ihrer so gut gelaufen ist. Wie wird es weitergehen „nach Corona“? (wenn es das gibt?) Nach Applaus und warmen Worten muss doch noch mehr kommen, z.B. eine angemessene Bezahlung für pflegerische Berufe! Bei einmaligen Sonderzahlungen darf es nicht bleiben! Wertschätzung drückt sich eben auch über eine höhere Bewertung der Arbeit, also eine bessere Bezahlung aus! Im biblischen Wochenspruch für den Mai heißt es im 1. Petrusbrief: „Dient einander als gute Verwalter der vielfältigen Gnade Gottes, jeder mit der Gabe, die er empfangen hat!“ Da sind so viele, deren Talente und Gaben mir in den letzten Woche unendlich gut getan haben: Freunde, die sich unerwartet gemeldet haben – am Telefon oder ganz altmodisch und schön mit einem Brief. Handwerker, die einfach kamen als sie gebraucht wurden, die Frauen im Markt, die freundlich und geduldig einfach ihren Job gemacht haben, damit alles seinen im Moment eingeschränkten Gang gehen konnte. Ja, und auch die Vögel in unserer Nachbarschaft, die mich stärker als in anderen Jahren mit ihren Talenten erfreuen: die Koloraturen der Mönchsgrasmücke und das Zwitschern der Rauchschwalben, das Lachen des Grünspechts.

Wie jede Krise bietet auch diese die Chance, in Zukunft manches anders zu machen. Werden wir sie nutzen? Was können wir „lernen“ aus den Erfahrungen dieser Wochen? Vielleicht ja dies: auf die achten, deren Gaben und Talente wir sonst häufig kaum bemerken, weil es weit weg von uns, in Heimen oder Krankenhäusern geschieht, oder weil wir sie kaum wahrnehmen, weil ihr Dienst für uns so selbstverständlich geworden ist – im Supermarkt oder auf Äckern und in Ställen. Da sind viele „gute Verwalter“ der vielfältigen Gnade Gottes ganz in unserer Nähe, die wir in Zukunft besser wahrnehmen können! Viele ihrer Gaben kommen uns zugute und sind – weiß Gott – nicht selbstverständlich! Und unsere eigenen Gaben phantasievoll für andere einsetzen. Das wäre doch etwas, was wir aus dieser Krise lernen können!

Jetzt zu Himmelfahrt werden wir daran erinnert, dass der Himmel, dass Gott – auch jetzt (!)- gar nicht so weit weg ist: „Weißt du, wo der Himmel ist, außen oder innen? Eine Handbreit rechts und links, du bist mitten drinnen! Weißt du, wo der Himmel ist? Nicht so tief verborgen, einen Sprung aus dir heraus, aus dem Haus der Sorgen. Weißt du, wo der Himmel ist? Nicht so hoch da oben: sag doch Ja zu dir und mir, du bist aufgehoben!“


Rainer Rohrbeck, Pfarrer in Wehe