Evangelischer Kirchenkreis Lübbecke

Worte der Besinnung für den 20. März 2021

Pfarrer Friedrich Stork

„Judika me deus“

Volkes Stimme hat gesprochen: „Kreuzige ihn!“ Ein Fehlurteil, ganz klar. Auch Volkes Stimme kann sich irren, wie alles Menschliche. Aber Pilatus wollte dem Volk zu Willen sein. So kam, wie es kommen musste.

Heute haben wir nicht nur Demokratie, sondern auch Gewaltenteilung und eine unabhängige Justiz. So wäre ein solches Verfahren, wie es Jesus erleiden musste, nicht möglich. Das ist auch gut so. Denn dass wir uns auch heute gerne zu vorschnellen Urteilen verleiten lassen, ist leider nur zu alltäglich. Für ein bisschen mehr Aufmerksamkeit, für ein paar schnelle Klicks und Likes, vergessen wir doch gerne mal unsere Vorsicht oder eine sorgfältige Prüfung der Vorwürfe. So wird aus einer Vermutung schnell mal eine Verurteilung. Mit Vorliebe trifft es „die Politiker“, aber auch Menschen des öffentlichen Lebens müssen das erleben. Der Ton viel zu vieler Äußerungen gerade im virtuellen Raum, der Hate-Speech, ist unterirdisch und unerträglich. Dass das Gegenüber immer noch ein Mensch ist, der gerade unter die Räder kommt, wird ausgeblendet. Oder die Verantwortlichkeit wird sogar umgedreht: er/sie hätte ja nicht Politiker werden müssen. Also immer man fröhlich drauf los: „Kreuzige ihn!“

Und furchtbarer noch: nicht immer bleibt es beim Verbalen, wie der Anschlag in Halle oder der Mord am Kasseler Regierungspräsidenten zeigen.

Der morgige Sonntag Judika hat seinen Namen von der lateinischen Fassung des Psalm 43: Judika me deus“, „Schaffe mir Recht, Gott“, ist der Hilferuf eines, der unter die Räder gekommen ist. Gott soll richten, was die Menschen angerichtet haben. Auf wessen Seite Gott steht, dürfte dabei deutlich sein. Spätestens mit diesem einen, unschuldig Verurteilten hat es klar gemacht: „Der Menschensohn ist nicht gekommen, dass er sich diesen lasse, sondern dass er diene und gebe sein Leben als Lösegeld für viele“, heißt es im Matthäusevangelium.

Gott nimmt Schimpf und Schande und alle folgende Gewalt auf sich. Er lässt sich das Kreuz errichten, damit wir sehen, was wir anrichten mit unserem Geifer. Damit uns unter dem Kreuz ein Licht aufgeht. Damit gezeigt ist, auf wessen Seite Gott steht: auf Seiten der Opfer, für die er eintritt und der er sich annimmt. Auf Ewigkeit. Und Tätern die Möglichkeit gibt, sich zu besinnen, umzukehren und abzulassen von ihrem Tun. Sein letztes Wort ist ein gerechtes über die Welt, über Täter und Opfer.



Pfr. Friedrich Stork
Ev. Martinskirchengemeinde Espelkamp