Evangelischer Kirchenkreis Lübbecke

Worte der Besinnung für den 20. Juli 2019

Mensch, ärgere dich nicht! Zuhause als Kind haben wir’s oft gespielt: Zu dritt, zu viert – da fand man immer jemanden, der mitspielte.
Einmal im Jahr fahren wir in Nettelstedt zur Konfi-Freizeit. Und abends bieten wir oft unterschiedliche Spiele an – und bei den jugendlichen Mitarbeitenden, da ist ein Spiel ein ganz besonderer Renner. Dreimal dürfen Sie raten, welches. Genau: Mensch-ärgere-dich-nicht!
Ein altes Spiel. 1910 erfunden. Bekannt wurde es in den Lazaretten im 1. Weltkrieg.
Verwundete Soldaten haben es für sich entdeckt. Seither haben es ganze Generationen von Kindern und Erwachsenen gespielt.
Mensch, ärgere dich nicht!
Warum ist es eigentlich so beliebt? Vielleicht, weil es auf dem Brett manchmal zugeht wie im richtigen Leben.
Lange keine Sechs gewürfelt? Ja, das gibt es: Ich komme nicht immer so voran, wie ich möchte. Auf dem Spielfeld nicht und im Leben auch nicht.
Manchmal geht aber gerade dann etwas voran, wenn ich nicht damit rechne und eigentlich nichts mehr erwartet habe. Nicht aufgeben – das ist wichtig. Nicht aufgeben. Mancher Rückschlag entpuppt sich als ungeahnte neue Chance; aber das merke ich normalerweise nicht gleich. Manches sehe ich erst im Nachhinein.
In manchen Situationen meines Lebens brauche ich eine Menge Geduld und das Vertrauen: Gott wird mir heute Kraft geben für heute. Und morgen wird er mir Kraft geben für morgen.
Auf der Konfi-Freizeit im Spiel mit den Jugendmitarbeitenden hatte ich schnell fast alle Figuren im Ziel. Fast alle. Als ich gerade schon ein bisschen übermütig und siegesgewiss wurde, hat es mein letztes Männchen erwischt und rausgeworfen. Und kaum war ich wieder im Spiel, hat es mich wieder erwischt und rausgeworfen.
Auch das gibt es im Leben:
Gerade wenn ich ein wenig übermütig werde und mich siegessicher schon am Ziel wähne, kommt mir womöglich etwas oder jemand dazwischen. Und ich kann nochmal von vorne anfangen. Das nervt. Aber genau genommen ist es schon auch lehrreich …
Noch etwas fällt mir auf: Zu manchen Zeiten bin ich mit etlichen Figuren gleichzeitig im Spiel. Wir helfen uns gegenseitig, übernehmen verschiedene Aufgaben. Der eine spurtet los, der andere sichert ab. Zu anderen Zeiten ist es ziemlich einsam auf dem Spielfeld, und ich muss allein weiter. Manches geht gut allein. Anderes ist schwierig und allein viel mühsamer. Nicht nur im Spiel, auch im Leben.
„Mensch-ärgere-dich-nicht“ spiele ich nie allein. Wenn wir zusammen spielen, wenn wir zusammen leben, lachen wir zusammen, und wir nehmen uns gegenseitig auch mal auf die Schippe. Wir ärgern uns, wir ärgern uns auch gegenseitig und stehen einander mal im Weg.
Und manches nehmen wir ernster, als es sein müsste. Auf dem Spielfeld und im Leben.
Mensch-ärgere-dich-nicht: Ein Spiel, bei dem es manchmal zugeht wie im richtigen Leben.

Einen Unterschied zwischen Spiel und Leben finde ich allerdings sehr wichtig: Im richtigen Leben hält einer seine Hand über mir. Gott.
Da würfelt kein Schicksal über mein Leben und auch kein anderer Mensch. Es hilft mir weiter, daran zu denken und darauf zu vertrauen. Auf Gott zu vertrauen.
Ob ich gerade ganz munter unterwegs bin oder mich schwertue, ob mein Lebensweg schnurgerade verläuft oder mehr Biegungen und Rückschläge aufweist, als mir lieb ist, ob ich mich freue oder ob ich Mensch mich gerade doch ärgere:
In allem hält er seine Hand über mir.
Das zählt für mich. Es macht mir Mut und baut mich auf.



Britta Mailänder
Pfarrerin in der Kirchengemeinde Nettelstedt
Seelsorgerin im Evangelischen Alten- und Pflegeheim am Kirchplatz und im Hospiz veritas, Lübbecke