Evangelischer Kirchenkreis Lübbecke

Worte der Besinnung für den 16. Februar 2019

Pastor Christoph Ovesiek

Die sechste Stunde ist vorbei, das meiste vom Schultag geschafft. Die Schüler der fünften Klasse rennen ausgelassen Richtung Schulmensa. Eine Schülerin stoppt noch mal auf der Treppe. Sie dreht sich zu mir um. „Sie haben ja eben erzählt, dass sie gleich eine Beerdigung haben. Da wünsche ich Ihnen viel, …ehm viel…“, sie bricht verlegen ab. Sie denkt einen Moment angestrengt nach. Dann sagt sie fast ein bisschen feierlich: „Dann wünsche ich Ihnen viel Trauer.“ Sie nickt zufrieden und hüpft hinter den Anderen her die Treppe herunter. Das ist mal ein Wunsch. ‚Ich wünsche Ihnen viel Trauer‘. Das hat so noch niemand zu mir gesagt. Ich stehe da, überrascht, ein wenig innerlich lächelnd, aber auch gerührt.
Ich habe es gleich im Lehrerzimmer erzählt. Da war die gleiche Mischung aus Schmunzeln, Überraschung und Rührung. „Tja, was soll man da auch wünschen“, sagt Einer. Eine Andere meint: „Wenn es um sowas geht, ist es ja überhaupt schwierig mit den richtigen Worten.“ „Auf jeden Fall war es doch nett gemeint und auch ein bisschen weise“, sagt eine Dritte.

Es ist ein paar Tage her, und der Satz der Schülerin will mir nicht aus dem Kopf. Und je länger ich so darüber nachdenke, finde ich, dass diese Worte tatsächlich genau das sind: Nett und freundlich gemeint, aber auch wirklich richtig weise. Ich würde sogar sagen, es ist ein Wunsch mit biblischem Geist. Es gibt nämlich einen ganz ähnlichen Satz in der Bibel. Kein Geringerer als Paulus, Autor so vieler für den christlichen Glauben unschätzbar wertvoller Briefe, hat ihn geschrieben. Seine Worte sind auch eine Art Wunsch, ein Wunsch, wie Menschen miteinander umgehen sollten, wenn sie im Geist von Jesus leben wollen. Er steht im 12. Kapitel des Römerbriefes: Freut euch mit den Fröhlichen und weint mit den Weinenden.

Wenn man diesen Bibelvers in einen Wunsch verwandelte, dann könnte er sich ganz ähnlich anhören, wie das, was die Schülerin auf der Treppe Weises gesagt hat. So vielleicht: ‚Ich wünsche Ihnen viel Mitgefühl‘. Wir wünschen uns ja so alles Mögliche, was uns relativ leicht über die Lippen geht: Viel Erfolg, viel Spaß, viel Gesundheit. Aber manchmal wird es eben schwierig mit den Worten. Darum hat sie auch solange überlegen müssen, denke ich. Aber dann kam genau das Richtige. Denn dieser Wunsch ist doch mal was Anderes und etwas mindestens genauso Gutes: Mitgefühl. Und es ist auch gut, wenn wir uns dazu gegenseitig ermutigen. Denn nichts bringt uns mehr zusammen, wenn wir es einander zeigen, und nichts bringt uns mehr auseinander, wenn wir es verlieren. Also: Ich wünsche Ihnen, ich wünsche uns viel Mitgefühl!


Christoph Ovesiek, Pastor in Tengern und Bröderhausen und Religionslehrer in der Gesamtschule Hüllhorst