Evangelischer Kirchenkreis Lübbecke

Worte der Besinnung für den 15. Juni 2019

Ich fahre seit einiger Zeit zum Walchensee in Bayern, einem See, der jeden Tag anders aussieht, manchmal ist er in einem solchen türkis, wie ich es nie gesehen habe. Ich wohne direkt am See und kann von meiner Wohnung aus direkt schwimmen gehen. Tagsüber sind hier viele aktive Menschen unterwegs, mit Rennrad, Bike oder als Familie mit Anhänger. Sie machen Station und erfrischen sich in der »Einkehr«, wo es frischen Quark, Milch und wunderbare Torten gibt. »Einkehr« hat zwei Bedeutungen. Die Einkehr bei den »Sachenbachers« stärkt den Körper. Man schmeckt Natur.

Es gibt aber noch eine andere Art von »Einkehr«. Sie ist ein anderes Wort für Selbstbesinnung und Selbstbetrachtung. Auch hierfür ist dieser Ort sehr geeignet. Am Abend, wenn die Kühe gemolken, die Radfahrer und Wanderer nach Hause gegangen, die Kinder in den Wohnungen, sind, dann wird es hier ganz still. Der Bach rauscht, die Kühe läuten mit ihren Glocken und der Hahn kräht ein letztes Mal, bevor er mit seinen Hühnern schlafen geht. Gedanken ziehen vorüber und wenn ich dann ins Wasser schaue, ist da nur das Türkis, Wellen plätschern, ab und zu zieht eine Entenfamilie vorbei. Ich genieße diese Ruhe.

Aber – leider vielleicht oder Gott sei dank – man hat ja immer sich selber dabei und sitzt da in Gottes Natur, und wird dann von den selben Gedanken getrieben, von Gefühlen erschreckt, wie zu Hause auch. Da ist manchmal Freude und manchmal Traurigkeit. Dann stört mich manchmal das Zirpen der Grillen, und dann freue ich mich über das Summen der Bienen. Diese Einkehr ist auch notwendig. Selbstbesinnung hilft uns, uns genauer anzuschauen, was uns im Alltag nicht so gut gelingt, weil wir uns die Zeit nicht nehmen.

In dieser Selbstbesinnung treffe ich alte Bekannte, die ich nicht so mag. Da tauchen Rechthaberei auf und Gekränktsein, Zorn und Angst. Sie gehören auch zu mir. Zu anderen gehören andere Dinge, die sie nicht so anschauen mögen. Die Sorge, nicht gesehen oder wertgeschätzt zu werden, die Angst, verletzt zu werden. Diese Seite erkennt man in der Einkehr ganz gut. Da mag manch einer erschrecken oder traurig werden, das Wunderbare im Urlaub ist, dass es mich nicht vergrämt. Es kommen schnell andere Gedanken und dann atme ich die frische Luft ein und dann wieder aus, der Körper wird durchflutet von der Sonne, der See erfrischt mich, auch wenn es kalt ist.

Ich spüre mich, wie schön ist dass denn? Das vergessen wir nämlich manchmal im Betrieb, dass es uns wirklich gibt. Wir das Leben erleben dürfen. Dazu gehört Mühsame und Traurige, aber auch das unbeschwerte und fröhliche. Und dann schaue ich auf den Wald. Er steht still und schweiget, wie es im Lied heißt. Und ich genieße den Augenblick ohne alles, schweige und werde still. Das wünsche ich uns allen an diesem Wochenende, dass sie »Einkehr halten«, Gottes stille Welt erleben und sich selbst.


Pfarrerin Christine Scheele