Evangelischer Kirchenkreis Lübbecke

Worte der Besinnung für den 15. August 2020

Pfarrer Bernhard Laabs

In einem Pressebericht von Mitte Juni heißt es, dass die Bewohner, wenn sie coronahalber ohne Besuch vereinsamen, dadurch auch Lebensjahre verlieren. So weit, so richtig. Dann aber folgt dieser Satz: „Lebenszeit ist das kostbarste Gut, das wir besitzen“. Da rührt sich mein Widerspruchsgeist. Bei einer Trauerfeier konnte ich einmal sagen: Wir nehmen Abschied von einem Menschen, der 40 Jahre lang mit Gott, sich selber und seinen Nächsten in tiefem Frieden gelebt hat. Andere werden über 90 und kennen diesen Frieden überhaupt nicht.“ Lebenszeit ist nicht alles. Wir wissen, dass wir sterben müssen. Zugleich haben wir Angst davor. Deshalb versuchen wir, den Zeitpunkt auf Deubel komm ʼraus möglichst weit hinauszuschieben – koste es, was es wolle. Die andere Möglichkeit wäre, den Tod als das anzunehmen, was er nun einmal ist: ein Teil unseres Lebens und Zusammenlebens. Nichts anderes hat Wolfgang Schäuble mit seinem Statement gemeint, die Würde des Menschen schließe nicht aus, dass wir sterben müssen. Eckhart von Hirschhausen spricht von zwei Impulsen, die wir Menschen in die Wiege gelegt bekommen haben: „vemehr‘ dich“ und „verzieh‘ dich“. Mit beiden haben wir Abendländer Probleme. Den zweiten rückt Corona aus der Verdrängung in den Fokus. Für mich kann ich sagen: Die Kinder sind aus dem Haus – da habe ich rein evolutionsbiologisch meinen Job erledigt. Was jetzt noch kommt, ist Geschenk – das ich gerne annehme. Ich bin nicht lebensmüde. Trotzdem gilt: von der Evolution her ist es ein ganz normaler Vorgang, dass eine Überpopulation begrenzt wird – zum Beispiel durch Krankheit. Erstaunlich finde ich eher, dass das bei der Spezies „Mensch“ so lange gut gegangen ist. Damit müssen wir uns nun auseinandersetzen.

Die Botschaft der Bibel verspricht niemandem ein endlos langes und bequemes Leben. Das verspricht die Werbung – und hält es natürlich nicht. Die Bibel verspricht uns ein erfülltes Leben. Voller Herausforderungen, Auseinandersetzungen, Hoffnungen, Perspektiven. Langweilig? Nie-mals! Glaube, Liebe, Hoffnung? Weiter als das Leben reicht. Durch Dich kann sich vieles erfüllen – auch mit Maske, auch mit Einschrän-kungen, auch mit Abstand, auch mit Krankheit, auch mit einer ungewissen Zukunft, denn die ist in Gottes Hand gut aufgehoben. Gerne möchte ich es mit Albert Schweitzer halten: Das einzig Wichtige im Leben sind die Spuren der Liebe, die wir hinterlassen, wenn wir gehen. Eine Spur des Hasses zu legen ist einfach. Das kann jeder. Eine Spur der Liebe legen? Das führt mich oft an meine Grenzen. Trotzdem lohnt es sich. Jetzt erst recht. „Lasst und nicht dem Leben mehr Jahre geben. Lasst uns den Jahren mehr Leben geben.“ – was habe ich mich gefreut, als ich das diese Woche in der Zeitung gelesen habe!


Bernhard Laabs, Pfarrer in Schnathorst