Evangelischer Kirchenkreis Lübbecke

Worte der Besinnung für den 13. April 2019

Ich bin nicht einer, der gerne auf die Straße geht.
Also, ich gehe schon gerne in die Stadt. Auf einen Kaffee. Um Leute zu treffen.
Aber ich bin nicht der Typ, der auf Demos zum Beispiel lauthals seine Meinung sagt. Dafür brauche ich den geschützten Raum.
Nichts gegen Demos. Die gehören zu unserer Demokratie unbedingt dazu. Und manchmal erlebe auch ich, wie schön das ist, mit Gleichgesinnten sich zum Beispiel auf dem Lübbecker Marktplatz zu treffen und Flagge zu zeigen für ein politisch geeintes Europa.
Und warum meine eigene Zurückhaltung? Ich bin eher ein „ja, aber“-Typ. Verkürzungen mag ich nicht. In ihnen liegt ein Zug zur Gewalt. Die skandierte Überzeugung will vereinnahmen. Der Sinn einer Demo ist mir schon klar: Nur so verschafft sich eine Meinung Gehör, erhält sie die notwendige Aufmerksamkeit. Wenn eine machtvolle Demonstration eine differenzierte Diskussion los tritt, finde ich sie gut. Aber leider schlägt sie zu oft um in nackte Gewalt.
Nun bekenne ich mich als Christ zu Jesus, der ebenfalls an entscheidender Stelle seiner Biografie auf die Straße gegangen ist: vor seinem Leiden und Sterben in Jerusalem zog er in die Stadt ein, er ging auf die Straße! Und die Menge jubelte ihm zu und schrie: Hosianna! Hätte ich mit geschrien? Hätte ich Jesus zugejubelt? Ich zögere ja oder nein zu sagen.
Ich weiß nicht, ob ich, wäre ich damals dabei gewesen, ein kleines entscheidendes Detail verstanden hätte: Jesus ritt auf einem Esel in die Stadt Jerusalem ein. So, wie die Geschichte jedenfalls in drei von vier Berichten über dieses Ereignis dargestellt wird, ist die Beschaffung des Esels mit einem solch besonderen Aufwand verbunden, dass der Leser oder Hörer der Geschichte darauf gestoßen wird, wie wichtig dieses Detail ist. Machtdemonstrationen sind auch heute niemals mit Eseln verbunden. Wenn schon Tiere, dann Pferde. „Hoch zu Ross“ kommen die Mächtigen daher.
Die Geschichte will sagen: Jesus verzichtet auf Gewalt. Er will sich nicht mit seiner Botschaft durchsetzen. Im Gegenteil. Er ist bereit, für seine Botschaft zu sterben. Dienen statt herrschen, das ist sein Leitsatz.
Es hätte mir Zögerlichem dann doch leicht fallen müssen, dieser besonderen Demo zu folgen und mit zu rufen: Hosianna! Gelobt sei Gott!
Nein, so einfach ist es nicht. Denn Jesus zu folgen, ihm sozusagen auch auf die Straße zu folgen, braucht nicht den Mut, öffentlich eine bestimmte Meinung zu skandieren. Es braucht den Mut, ihm genau darin zu folgen, auf Macht zu verzichten. Es braucht den Mut zu lieben statt sich durchzusetzen. Der Clou aber ist: diesen Mut muss ich mir nicht selbst zusprechen, dieser Mut wird mir geschenkt. Im Glauben an den, der auf einem Esel daher kommt. Am morgigen Sonntag wird überall in unseren Kirchen davon erzählt.


Heinz-Hermann Grube
Kreiskantor für den Kirchenkreis Lübbecke