Evangelischer Kirchenkreis Lübbecke

Worte der Besinnung für den 12. Oktober 2019

Wo ist Gott?
Kinder stellen solche Fragen ohne große Scheu und sie sind zufrieden, wenn man ihnen sagt im Himmel. Erwachsene stellen solche Fragen meistens, wenn sie schlimmes erfahren haben, wenn Kummer sie klein macht oder Krankheit eines An-gehörigen sie beunruhigt. Wo ist Gott?

Wo ist Gott, das fragte mich in der vergangenen Woche ein Patient, der mir erklärte: Ich glaube nur, was ich sehe. Es war anstrengend für mich und ich fühlte mich etwas verloren, blieb aber trotzdem. Es gab kein Überzeugen, aber ich war da. Und ich bin geblieben.

Wo ist Gott?

Carlo Levi, der bekannte italienische Schriftsteller schrieb in den 30er Jahren eine hoch dekorierte Autobiographie mit dem Titel: Christus kam nur bis Eboli. Darin geht es um einen Arzt, der wegen politischer Aktivitäten in die Verbannung geschickt wurde, in die Nähe von Montera, eine Gegend von denen auch die Einwohner sagen, dass Gott nicht bis hier her gekommen sei. Die Gegend trostlos, die Menschen verachtet und verlebt, arm und dreckig. Mich hat das Buch sehr berührt. Es war eine Geschichte, die mich sehr nachdenklich gemacht hat. Gegen diese trostlose, von Gott und allen guten Geistern verlassenen Geschichte hörte ich in der vergangenen Zeit eine andere Geschichte, eine Geschichte, die für mich zur Mutmachgeschichte wurde.

Sie heißt „Mit Gott im Park“ und geht so:    

„Es war einmal ein kleiner Junge, der Gott besuchen wollte. In seinen Rucksack packte er ein paar Schokoriegel und Coladosen für unterwegs. Dann ging er die Straße hinunter und kam in einen kleinen Park. Dort sah er eine alte Frau, die  auf einer Parkbank saß und den Tauben zusah. Der Junge setzte sich neben sie und öffnete seinen Rucksack. Er wollte bloß eine Cola trinken, als er bemerkte, dass die Frau neben ihm hungrig aussah. Also bot er ihr einen Schokoriegel an. Die Frau nahm dankbar an und schenkte dem Jungen ein Lächeln. Dieses Lächeln war so überwältigend schön, dass der Junge es gerne noch einmal sehen wollte, also bot er der Frau eine Cola an. Wieder nahm sie an und lächelte. Der Junge war glücklich. So verbrachten sie den ganzen Nachmittag. Sie aßen, tranken, lächelten, sprachen aber kein Wort miteinander. Als die Dämmerung einbrach, spürte der Junge, dass er müde geworden war. Er umarmte die Frau zum Abschied und ging nach Hause. „Was hat dich denn heute so glücklich gemacht?“, fragte seine Mutter. „Du strahlst ja über das ganze Gesicht!“„Ich habe mit Gott im Park Cola getrunken“, sagte der Junge. „Und weißt du was? Sie hat das schönste Lächeln, das ich je gesehen habe.“                                      

Zur selben Zeit war auch die alte Frau zu Hause angekommen. Ihr Sohn bemerkte ihren glücklichen Gesichtsausdruck und fragte: “Was hast du denn heute gemacht, dass du so fröhlich bist?“                                          
Sie sagte:“Ich habe im Park mit Gott Schokoriegel gegessen. – Er ist viel jünger, als ich erwartet hätte.“

Man muss nur die Augen offen halten.

So, liebe Schwestern und Brüder! Jetzt wünsche ich Ihnen zunächst, nicht zu viel Hunger oder Durst bekommen müssen! Und dass Sie, wo immer Sie in Sorge, auf der Suche, in Furcht oder Hoffnung sein mögen, solche menschenfreundlichen Erfahrungen geschenkt bekommen, oder sogar verschenken dürfen!

Amen


Pfarrerin Christine Scheele