Evangelischer Kirchenkreis Lübbecke

Worte der Besinnung für den 12. März 2022

Pfarrer Dr. Roland Mettenbrink

Jesus hat wirklich gelebt, das wird von keinem ernst zu nehmenden Historiker bestritten. Jesus ist keine Fiktion. Die Berichte, dass Menschen durch Jesus Gott erfahren haben, können nicht einfach abschätzig von der Hand gewiesen werden.
In meiner Gemeindearbeit erlebe ich Menschen, die mich in ihrem Glauben überwältigen. Ganz offen sagen sie mir bei Besuchen, ich solle für sie oder mit ihnen beten. Sie schildern, wie sie in ihrem Leben Gottes Führung erlebt haben oder wie wichtig ihnen die Vergebung sei oder auch die Hoffnung auf das ewige Leben.
Auch gerade jetzt im Ukraine-Krieg imponieren mir viele Menschen in ihrem Bekenntnis zu Jesus als dem Friedensbringer.
Aber es gibt auch das andere. Wo mir Menschen begegnen, denen es total klar zu sein scheint, dass kein Gott existiert, die selbst Jesus als reale historische Person nicht glauben können, ganz zu schweigen von seiner Auferstehung und der Bedeutung seines Lebens für uns Menschen.
Beides beschäftigt mich. Der feste Glaube und die Meinung, es gibt keinen Gott. Beides ist möglich in Menschen. Glaube und Unglauben.
Zu beweisen ist die Existenz Gottes nicht. Aber es ist auch seine Nichtexistenz nicht zu beweisen. Für mich ist allerdings sehr viel naheliegender, evidenter, dass unsere Welt, das Universum, das Leben nicht aus dem Nichts entstanden sind, sondern Schöpfung Gottes sind. Und die Rückbindung zu Gott, dem Urgrund und der Quelle des Lebens habe ich selbst als heilend erfahren.
Für mich ist es ein unerträglicher Gedanke, wenn es ein letztes Zur-Rechenschaft-gezogen-Werden nicht geben würde. Ein Hitler, ein Himmler, ein Stalin und ein Putin müssen doch gestellt und zu einer letzten Verantwortung gezogen werden.
Von dem Philosophen und einem der führenden Köpfe der Frankfurter Schule, die die 68er Bewegung prägte, Max Horkheimer, dessen Hinwendung zur Religion viele atheistisch Denkende in
den 70er Jahren des letzten Jahrhunderts zutiefst irritiert aber, wie ich meine, auch deren selbstsichere Überheblichkeit aufgedeckt hat, stammt der Satz: „Der Gedanke, dass die Gebete der Verfolgten in höchster Not, dass die der Unschuldigen, die ohne Aufklärung ihrer Sache sterben müssen, dass die letzten Hoffnungen auf eine übermenschliche Instanz kein Ziel erreichen und dass die Nacht , die kein menschliches Licht erhellt, auch von keinem göttlichen durchdrungen wird, ist ungeheuerlich.“
Ein Satz, der gerade in Anbetracht der in ihrer Schrecklichkeit kaum zu überbietenden Bilder aus der Ukraine höchste Aktualität hat.
Überhebliche Selbstsicherheit von Menschen, die mochte Jesus gar nicht, ich denke an den reichen Kornbauern, an das Gleichnis vom reichen Mann und armen Lazarus oder an den selbstgerechten Pharisäer im Vergleich zum demütigen Zöllner. Jesus ruft aus jedweder Selbstgerechtigkeit.
Wir sind es den in Not Geratenen, den Opfern, den Unschuldigen, die ohne Hoffnung auf gerechte menschliche Instanz ihr Leben lassen, schuldig, zu glauben für und mit ihnen, dass Gott sich ihrer Sache annimmt.
Sinn gewinnt die Welt, das Universum, die Menschheitsgeschichte und unser persönliches Leben nur durch den Glauben an den, der es mit dem Ungeheuerlichen in dieser Welt aufnimmt und sich ihm entgegenstellt, den sich in Jesus offenbarenden Gott.


Pfarrer Dr. Roland Mettenbrink