Evangelischer Kirchenkreis Lübbecke

Worte der Besinnung für den 09. Oktober 2021

Pfarrer Eberhard Helling

Drehen jetzt alle am Rad?

Er sitzt mir gegenüber; mit unseren Masken schauen wir uns an und bekommen nicht mit, was der andere gerade wirklich sagt. Akustisch können wir uns schon verständigen. Aber das Mienenspiel fehlt. Da weiß ich nicht, ob er mich jetzt auf den Arm nehmen will oder ob er das ernst meint. Er behauptet: „Bald wird es so sein, dass nur noch die beim Arzt behandelt werden können, die geimpft sind. Und auch die Alten werden bald nicht mehr zum Arzt können, die werden zu teuer für Vater Staat.“
Einen kurzen Moment überlege ich, ob das ernst gemeint sein soll oder wie das genau zu verstehen ist. Das würde ja bedeuten, es können nur noch die Menschen ärztlich behandelt werden, die ein gewisses Maß an Schutz mitbringen. Schutzlosen Menschen dürften nach dieser Maßgabe nicht mehr zum Arzt?! Ich frage nach, ob das so gemeint sei. Ja, sagt er, das ist wohl so zu verstehen … und ich verstehe die Welt nicht mehr.
Ich sage meinem Gegenüber deutlich: das kann ich mir nicht vorstellen, dass solch eine Maßgabe bei uns greifen wird. Das würde gegen jedes verantwortliche ärztliche Verhalten verstoßen. Schließlich seien die Ärzte doch gerade für solche Leute da, die ohne Schutz daherkommen. Auch wenn die Ungeimpften sich bewusst gegen eine Impfung entschieden hätten, sie werden doch nach wie vor in unseren Krankenhäusern behandelt. Ich frage bei meinem Gegenüber nach: woher er diese Information habe? Antwort: aus dem Internet!
Ja – dort lässt sich wirklich alles finden. Auch der größte Blödsinn. Der wird nicht selten auch von Menschen mit Doktor- und Professorentitel unterschrieben. Und solche Behauptungen, wie die von meinem Gegenüber sind dazu angetan, Menschen zu verunsichern. Und viele, viel zu viele glauben, was dort steht. Ja – es ist eine Frage des Glaubens!
Mehr und mehr verstehe ich, wenn Jesus bei seinen Heilungsgeschichten am Ende feststellt: dein Glaube hat dir geholfen. Es geht darum herauszufinden, wo die wirklich heilenden Kräfte zu finden sind und ob ich in der Lage bin, den Kräften und den Ärzten zu glauben, zu vertrauen, die durch ihre Ausbildung sich mit viel Erfahrungswissen ausgestattet haben. Oder gehe ich den Doktoren, den „Gelehrten“ auf den Leim, die mit ihren verrückten Thesen die Lage nur noch schlimmer machen, die Menschen so sehr verunsichern, dass die Leute nicht mehr ein und aus wissen und die abseitigsten Vorstellungen für bare Münze nehmen.
Es gibt Glauben, der heilt und es gibt Glauben, der krank macht. Glauben heilt nicht automatisch. Selbst bei Jesus sind nicht alle Menschen automatisch gesund geworden. Es bleiben viele Unklarheiten. Gerade deswegen muss man sich darüber so gut wie möglich klar werden, was und an wen man glaubt. Viel zu oft habe ich schon gehört: Hauptsache, man glaubt überhaupt an etwas. Oh nein! Es ist nicht egal, was und an wen man glaubt. Die Frage ist: wer ist glaubwürdig?! Bei Jesus ist es sein Lebenseinsatz, der ihn für mich glaubwürdig macht. Bei anderen Menschen und bei Instituten – zum Beispiel dem Robert-Koch-Institut - sind es die Erfahrungen, die Vertrauen erzeugen können. Es bleibt ein Risiko, einem anderen zu vertrauen. Aber Vertrauen heilt.


Pfarrer Eberhard Helling