Evangelischer Kirchenkreis Lübbecke

Worte der Besinnung für den 07. Dezember 2019

Pfarrer Jürgen Giszas

Eine denkwürdige Begebenheit: Ein junger Mann wirft des Nachts einen Goldklumpen durch ein geöffnetes Fenster in das Haus eines Witwers. Aus gutem Grund! Der Empfänger der unkonventionellen Kollekte ist derart verarmt, dass er keinen anderen Ausweg mehr sieht, als seine drei Töchter an dubiose Gestalten aus der Rotlichtszene zu verkaufen. Auf diese Weise, so sein schmerzliches Kalkül, kann er seine Kinder wenigstens vor dem Hungertod bewahren.
Allerdings hat er die Rechnung ohne den jungen Wohltäter gemacht! Denn der wiederholt seine nächtliche Spendenaktion noch zweimal. Nun ist die größte Not abgewendet – und die Töchter verbleiben in der Obhut ihres Vaters.
Mag sein, dass die wunderbare Geschichte in jeder Hinsicht legendären Charakters ist. Der Gestalt des freigiebigen Helfers liegt indes eine historische Persönlichkeit zugrunde, die einmal in die (Kirchen)Geschichte eingehen wird: Nikolaus von Myra, seines Zeichens Bischof der im Südwesten der heutigen Türkei gelegenen Ortschaft, die mittlerweile den Namen Demre trägt.

Die zahlreichen – wahrhaft wunderbaren – Geschichten, die sich um den Kirchenmann ranken, der an der Wende vom dritten zum vierten Jahrhundert gelebt hat, stellen uns einen Menschen vor Augen, der sich mit Leib und Seele der Bedürftigkeit von Notleidenden angenommen hat. Wobei sein Augenmerk besonders dem Wohl der Kinder gegolten hat!
„Lasst uns froh und munter sein / (…) Bald ist Nikolausabend da“! Es ist doch ein Glücksfall sondergleichen, dass Christinnen und Christen – über Konfessionsgrenzen hinweg – seiner am gestrigen Tage, dem 6. Dezember (dem vermeintlichen Todestag) gedenken. Also: mitten im Advent! Inmitten jener Tage, die uns freigehalten sind, der Ankunft der Liebe Gottes in unser Welt und Wirklichkeit erwartungsfroh entgegenzusehen!
Die aber mit dieser Wartezeit verbundene und an uns gerichtete Mutmachbotschaft hat der Prophet Jesaja in wunderbaren Worten festgehalten: „Macht die erschlafften Hände wieder stark, die zitternden Knie wieder fest! Ruft den verzagten Herzen zu: »Fasst wieder Mut! Habt keine Angst! Dort kommt euer Gott!«“ (Jesaja 35,3–4).

Weil Gott uns entgegenkommt, uns Mut zuspricht, gern hier zu sein und mit Leib und Seele das Leben zu wagen, können auch wir einander ermutigen, erschlaffte Hände stärken und zitternde Knie wieder festigen. Sprich: Wir Menschenkinder können einander die Stiefel füllen – überall dort, wo bittere Not herrscht und Bedürftige vor lauter Verzweiflung nicht mehr ein noch aus wissen! Indem wir Zeit zum Zuhören und In-die-Arme-Schließen verschenken, indem wir uns einbringen mit unseren Begabungen. Indem wir Zuwendungen unterschiedlichster Art aufbringen – und wenn es sich fügt, auch in barer Münze!
Was Gebende und Empfangende miteinander verbindet – auch das umschreibt Jesaja recht treffend: „Aus ihren Augen strahlt grenzenloses Glück“ (Jesaja 35,10)!
Nikolaus ist nicht nur ein Glücksfall für die Kinder! Ihm können wir alle abschauen, wie es gelingen kann, der Liebe den Weg zu bereiten! Darum: Lasst uns froh und munter sein – fürsorglich und fröhlich!


Pfarrer Jürgen Giszas
Evangelischer Kirchenkreis Lübbecke