Evangelischer Kirchenkreis Lübbecke

Worte der Besinnung für den 05. Oktober 2019

Pfarrer Jürgen Giszas

Ein Märchen aus Israel erzählt von einer denkwürdigen Geschwisterliebe! Zwei Brüder, die eigene Bauernhöfe betreiben, bewirtschaften zusammen das vom Vater geerbte Land. Sie teilen Arbeit und Verantwortung. Sowie den gemeinsam erwirtschafteten Ertrag! Und zur Freude der Geschwister fällt der großartig aus! – In der Nacht nach der ersten Ernte finden jedoch beide nicht in den Schlaf.
Der eine, ledig, sorgt sich um den Bruder, der Ehemann und Familienvater ist: Benötigt dieser nicht mehr als fünfzig Prozent des Erwirtschafteten – wo ihm doch Frau und Kinder anvertraut sind?
Der Bedachte jedoch sorgt sich ebenfalls: Ist der alleinstehende Bruder nicht auf mehr als die Hälfte der Ernte angewiesen – wo er doch keine Kinder hat, die sich dereinst im Alter um ihn kümmern können?
Und so schreiten beide Brüder zur Tat: Noch des Nachts schaffen sie jeweils die Hälfte der eigenen Ernte heimlich in die Scheune des anderen. Verdutzt stellen beide am folgenden Morgen fest, dass ihre Scheunen wieder bis unters Dach mit Erntegaben gefüllt sind – wo doch eigentlich nur noch die Hälfte derselben vorhanden sein sollten!
In der darauffolgenden Nacht wiederholen beide ihre geheimen Hilfsaktionen. Nur begegnen sie diesmal in der Dunkelheit einander! Und als sie gewahr werden, wie liebevoll sie in aller Heimlichkeit füreinander Sorge tragen, fallen sie sich vor lauter Dankbarkeit und damit einhergehendem Glück in die Arme!
Das Verhalten der Geschwister aber bewegt nicht nur sie selbst, sondern auch Gott. Genau an dem Ort, an dem die Brüder einander herzen, möchte der Erfinder von Himmel und Erde den Menschen nahe sein. Und so fasst er einen Plan, den der weise König Salomo in die Tat umsetzen wird. An besagtem Ort wird ein Gebäude errichtet! Ein Gotteshaus, in dessen Mauern sowohl das Leben als auch die Liebe gefeiert werden! Ein Denkmal der ganz besonderen Art!
Dank, Gedanke und auch Gedächtnis: drei Begriffe, die – sprachlich betrachtet – im Deutschen ein und derselben Wurzel entspringen! Dass Denken, Danken und auch Erinnern in einem engen Zusammenhang stehen: Dieses Wissen, liebe Leserin und lieber Leser, beleuchtet auch das Märchen aus dem Heiligen Land!
Die Dankbarkeit für die großzügig ausgefallene Ernte stiftet die Brüder zum Nachdenken an: Wie selbstverständlich ist es, reich beschenkt zu werden mit dem, was Leib – und auch Seele – zum Leben benötigen? Die Dankbarkeit ruft ihnen auch die Verantwortung in Erinnerung, die ihnen zufällt. Zu guter Letzt tragen sie darum Sorge nicht nur für das eigene, sondern auch für das Wohl des anderen!
Gut, dass wir das Erntedankfest im Kalender verzeichnet haben! Ein Tag, der freigehalten ist zum Feiern. Wie auch zum Nachdenken – mit dem Segen des Himmels: Was vermag ich mit anderen zu teilen: an Gaben und Begabungen, die mir zuteil wurden?
ERNTEDANK setzt dem DANK ein DENKMAL! Eins der unkonventionellen Sorte, weil mit Inspirationscharakter versehen: DENK MAL darüber nach, wie auch du ein mitteilsamer Mensch zu werden vermagst? – Ein gesegnetes Erntedankfest wünscht Ihnen und euch


Pfarrer Jürgen Giszas
Evangelischer Kirchenkreis Lübbecke