Evangelischer Kirchenkreis Lübbecke

Worte der Besinnung für den 03. Advent 2021

Pfarrer Michael Weber

Die weiße Wand der Tradition oder der Weg zu Dir

In Ostfriesland gibt es eine schöne, alte Reformierte Kirche. Die Kirche ist vollkommen weiß getüncht und ohne jeglichen Schmuck. Aber jeder Gottesdienstbesucher aus dem Ort, der in diese Kirche kommt, der kommt den Kirchweg entlang und verneigt sich beim Reinkommen vor der linken, weißen Wand. Und wenn man fragt, warum, dann bekommt man die lapidare Antwort: "Datt war schon immer so, datt wird auch so blieven!"

Als vor einigen Jahren dann Renovierungen anstanden, musste auch diese Wand untersucht werden. Es stellte sich heraus, dass hinter einer dicken, weißen Farbschicht ein altes Marienbildnis verborgen war. Damit war auch die Erklärung für das Verneigen schnell gefunden: Früher, vor der Reformationszeit, da hatte sich jeder, der die Kirche betrat, erst einmal vor der Maria verbeugt. Als dann die Reformation kam, da wurde das Marienbildnis einfach übertüncht, aber der Brauch hielt sich. Obwohl man im Laufe der Zeit vergaß, warum man sich überhaupt verneigte und die Wand wurde alle paar Jahre wieder neu weiß getüncht. So verneigte man sich vor der kahlen, weißen Wand!

Ich frage mich mit dem Blick auf Weihnachten: Warum kommen so viele Menschen zum Heiligabend? Kommen Sie, weil es schön und heimelig ist und weil es eben dazu gehört? Viele Rituale macht man mit, obwohl man nicht weiß, warum. Man macht es eben, weil es alle machen, wie das Verneigen vor der weißen Wand - der Inhalt von Weihnachten ist oft von der Tradition übertüncht.

Oder hat Weihnachten für Sie eine Bedeutung, die das Leben verändert? Bringen die Lieder nicht Saiten in uns zum Klingen, die wir sonst oft nicht wahrnehmen? Ist die adventliche Zeit nicht die Gelegenheit, wieder einmal darüber nachzudenken, wer mein Leben trägt und hält? Weihnachten kratzt an der weißen Wand unserer Tradition: Denn mit Weihnachten fängt die Geschichte Jesu ja erst an. Weihnachten ist der Auftakt dazu, Gott näher zu kommen, der zu uns gekommen ist. Und Advent ist die Zeit, sich Zeit dafür zu nehmen.

Denn es geht nicht nur um das Kind in der Krippe - sondern es geht um den Gott, der dahinter sichtbar wird - dieser Gott will Dein Leben verändern und er ruft Dich zum Glauben. Bereitet dem HERRN den Weg; denn siehe, der HERR kommt gewaltig (Jesaja 40,3.10). So lautet unser Wochenspruch. Ich wünsche Ihnen Zeit, im zweiten Teil des Advents darüber nachzudenken, was Ihnen an Weihnachten (Matthäusevangelium, Kapitel 1 und 2 + Lukasevangelium, Kapitel 1 und 2) und am Glauben wichtig ist! Nehmen Sie sich die Zeit, um Gott auf dem Weg zu entdecken, der zu Ihnen führt!
Bleiben Sie gesund und behütet!


Ihr Pfarrer Michael Weber