Evangelischer Kirchenkreis Lübbecke

Worte der Besinnung für den 01. Oktober 2022

Pfarrer Bernhard Laabs

Liebe Leserinnen und Leser,

als Jesus seinen ach so wichtigen Gegnern entgegnete: „Wenn ihr nicht werdet wie die Kinder, werdet ihr nicht in das Himmelreich kommen“, hat er sicher nicht im Traum daran gedacht, wie das heute so passiert. Zum Erntedankfest haben wir doch die Möglichkeit, wie Kinder mit offenem Mund und großen Augen darüber zu staunen, was trotz Krisen und inmitten von Krisen alles geht. Ja, da geht immer etwas. „Geht nicht“ gibt’s nicht. Das ist – knapp zusammengefasst – eine der Kernaussagen Bibel: Du hast die Wahl, ob du deinen Blick auf das verengst, was die Angst machst und daran verzweifelst oder ihn dankbar weitest hin auf die Möglichkeiten, die Gott dir trotz allen Schlamassels gibt – und auflebst. Nein, ich bin nicht naiv und ja, es passiert viel Furchtbares. Aber wenn du dem Furchtbaren erlaubst, dich ins Loch zu ziehen, hat es gewonnen. Wenn ihr werdet wie die Kinder, könnt ihr staunen, wie viele Mut-Mach-Impulse Gott für euch bereithält. Aber warum sind wir so blind dafür? Ja, wir werden wie die Kinder, aber nicht kindlicher, sondern kindischer. Nicht kindliches Staunen – dafür umso mehr kindische Ungeduld prägt unsere Lebenswirklichkeit. Kleinkinder wollen alles – und sie wollen es sofort, sonst wälzen sie sich schreiend auf dem Boden. Das Onlineshopping – heute bestellt und gestern schon geliefert – bedient genau dieses kindische Gehabe. Viel schlimmer ist aber noch diese Kinderei: Schuld sind immer die andern an meiner Misere: Die Nachbarn, die Regierung, die Politik, die Polizei, die Rettungskräfte, die Grünen, die Gelben, die Schwarzen, die Braunen, die Roten, die Gestreiften, die Russen, die Schule, die Religion… und wer denn noch so alles! Und wenn der ach so Schuldige erstmal ausgemacht ist, wird er erbarmungslos gemobbt und gejagt. Darin sehe ich die Weigerung von immer mehr Menschen, Verantwortung für ihr eigenes Leben zu übernehmen, die Verantwortung stattdessen an die Institutionen zu delegieren und die Institutionen dann zu verfluchen, wenn ich dann doch nicht so glücklich bin. Erwachsen werden bedeutet für mich: ich trage selber Verantwortung für das Gelingen meines Lebens, für meine Entscheidungen – und ihre Folgen. Und dabei weiß ich: ich habe einen Halt, den ich mir selber nicht geben kann. Aber er ist nur ein Gebet weit entfernt. Eine Gesellschaft, die ihren Grund in sich immer weiter steigerndem Konsum findet, wird halt- und heillos, wenn das mit dem Konsum – so wie jetzt – mal schwierig wird. Auch so ʼne Kinderei: Immer mehr zu wollen und doch nie zufrieden zu sein. Der olle Putin zeigt gerade, wie’s geht.

Mitten in allem Mangel, mitten in der Krise hat David gegen allen Anschein mit energischem Trotz gebetet: Der! Herr! Ist! Mein! Hirte! Mir! Wird! Nichts! Mangeln! Vor seinem inneren Auge hat der die grünen Auen und das frische Wasser in den sattesten Farben gesehen – nachzulesen in Psalm 23. Das war der Turbo für seinen späteren Erfolg. Mit kindischem Kreischen über sein Ungemach hat er sich nicht aufgehalten; Gott sei Dank dafür umso mehr mit kindlichem Staunen über das, was trotz und in der Krise alles möglich ist.


Pfarrer Bernhard Laabs