Evangelischer Kirchenkreis Lübbecke

"hinterblieben"

Christine Scheele

„Sichtlich Mensch“-

Ausstellung „hinterblieben“ von Andreas Reiner in der St. Andreaskirche Lübbecke eröffnet.



Die Vernissage war gut besucht. Ein großer Chor sang unter der Leitung von Kirchenmusikdirektor Heinz-Hermann Grube einfühlsame Stücke, die die Bilder des Fotografen musikalisch öffneten, Johanna Grube sang sich mit „Aus der Stille wächst ein Wort“ in der Herzen der Besuchenden, Pfarrer Eberhard Helling begrüßte die Gäste mit theologischem Tiefgang, der Kreiskantor erinnerte sich an den Impuls, diese Ausstellung in der St. Andreaskirche auszustellen, und der Künstler, der mit seiner Lebensgefährtin angereist war, erzählte von der Entstehung dieser Ausstellung. 





Helling führte mit einem theologischen Impuls in die Ausstellung ein: „Der Tod wirft alles aus der Bahn.“ …bei schweren Verlusten entgleisen Gesichtszüge“ Die Ausstellung zeige Bilder und gebe diesen Gefühlen einen Rahmen. „Selig sind die Trauernden, denn sie werden getröstet werden.“, an diese Zusage aus der Bergpredigt erinnert Helling und sagt: „ Glücklich ihr, die ihr die Tränen nicht halten könnt. Ihr seid aufgehoben.“ „Ist es mutig eine solche Ausstellung zu zeigen?“, fragt Grube. Trauer erhält einen Ort, wo sie sein darf. Unaufgeregt berichtet Grube davon, dass sich alles einfach gefügt hat und die Ausstellung und Andreas Reiner nach Lübbecke gekommen seien. Die Bilder werden auch während der „Requiemaufführung“ wirken. 
Andreas Reiner beschrieb den Anlass für diese Ausstellung. „Eigentlich war es keine Idee, sondern ein Zustand,“ sagte der authentische Schwabe in seiner Begrüßung. Gegen den Bilderwahnsinn setzt der Fotograf wahrhaftige Fotos. Seit 10 Jahre „belichtet“ er soziale Themen. Er habe bei einem Bestatter gearbeitet und habe sich gefragt: „Was geschieht, wenn ich die Tür hinter mir geschlossen habe? Da bleiben Menschen zurück.Wir sprechen die Sprache der Trauernden nicht. Trauer ist in unserer Gesellschaft ein Tabuthema. Wir müssen uns ihm stellen.“ Ein weiterer Anlass sei die Ablehnung als Notfallseelsorger gewesen. Er sei mit der Begründung, er sei nicht „gottfest“ abgewiesen worden. Er rief auf Facebook Trauernde auf, sich von ihm in seiner Wohnung fotografieren zu lassen. 14 Menschen folgten ihm und setzten sich auf das Sofa, um ihre Trauergeschichte zu erzählen. „Nach einiger Zeit konnte ich mich den Menschen nähern und Fotos machen, die Menschen in ihrer Situation zeigten. Das Kind mit dem „Papakissen“, die Frau, der immer gesagt wurde, reiß dich zusammen. Sie durfte weinen. Der Mann, der um seinen Opa trauerte.“ 
Die Bilder sind an die Wände gelehnt. Sie drücken ungekünstelt einen Moment aus, den Hinterbliebene erleben. Sie erzählen keine Geschichte, sondern ein Gefühl, Traurigkeit in ihren zahllosen Ausdrucksweisen, mal Entsetzen, Erschrecken, mal beklommene Fröhlichkeit. Der Betrachter kennt die Geschichten nicht, kennt die Menschen nicht, und doch erlebt er Nähe zu den Gesichtern, die sich erlauben, traurig zu sein. In diesem Erleben erhält er auch Zugang zu eigenen Verlusten und Trauer. 
So ermutigt die Ausstellung zu zwei Dingen: Einmal dazu, auf Trauernde zuzugehen, sie ernst zu nehmen in ihrem Leid, und zum anderen, seine eigene Trauer da sein zu lassen, sie nicht ausufern zu lassen, sie aber auch nicht zu verstecken. Das ist „sichtlich Mensch“, ja „mitmenschlich Mensch.“