Evangelischer Kirchenkreis Lübbecke

Karfreitagsmusik

Christine Scheele

Verzweiflung und Osterlachen
Orgelkonzert zu Karfreitag in der St. Andreaskirche mit H.H. Grube



Wer in den Altarraum blickt, sieht einen leeren Tisch. Keine Decke, keine Kerze, nicht einmal das Buch lenken ab. Die ganze Aufmerksamkeit gilt der Nacktheit, der schonungslosen Leere, die mit dem Karfreitag verbunden ist. In dieser Konzentration auf das Wesentliche tönt die Orgel. Kirchenmusikdirektor Heinz Hermann Grube spielt sie meisterhaft ehrlich, engagiert ohne Schnörkel.
Die Orgelmusik am Karfreitag wirkt in ihrer Lautstärke still. Vier Werke von Bach in g-Moll werden von zeitgenössischen Werken unterbrochen. Die Tonart g-Moll macht unterschiedliche Stimmungen und Gefühle hörbar. Trauer Wut, Verzweiflung bis zur Zuversicht, Gewissheit und Fröhlichkeit. Der theologische Kreiskantor sagt: Damit spielt die Musik das, was Christen am Karfreitag bewegt: Erschütterung über den Tod Jesu, und Gewissheit, dass nun Frieden zwischen Gott und Mensch herrscht.
Das Konzert beginnt mit Präludium und Fuge. Man hört die Ernsthaftigkeit, schnelle Variationen vertiefen den Höreindruck und es entsteht eine Unruhe, der man lieber ausweichen möchte. Petr Eben folgt mit Jesu Kreuz, Leiden und Pein. Die Modernität ist zu hören Dissonanzen wechseln mit einer zaghaften Melodie, Manchmal wie polyphones Gedröhn.
Dem Orgelbüchlein war das nächste Stück entnommen. Zuversicht und Hoffnung überwogen. Im Anschluss waren Teile aus Günter Gerlachs Kreuzweg zu hören. Hier wird die Hörerin mitgenommen in ein geistliches Nacherleben des Kreuzweges. Fast hineingezogen. Wie Adorno schreibt: Leiden ist Objektivität, die auf dem Subjekt lastet.
Einen Schwerpunkt war das „Sei gegrüßet, Jesu gütig“ Choral und Partita zeigten 11 Variationen eines Themas. Grube hatte sich die Mühe gemacht, die Registerauswahl aufzuschreiben, so dass der Hörer den unterschiedlichen Eindrücken folgen konnte. Es wirkte manchmal wie auf dem Jahrmarkt in der es laut durcheinander dröhnt und dann wurde dieses Tumulte wieder in eine geheimnisvolle Ordnung überführt. Es folgt von Enjott Schneider ein Stück aus dem Ansbacher Orgelbüchlein, gefolgt von der meisterlich gespielten Fantasie und Fuge in g-Moll. Wie die Fuge des Erwachens. Biblische Texte erzählen, dass zur Sterbestunde Jesu, der Vorhang im Tempel zerriss. Dieser Vorhang trennte das Heiligste vom Allerheiligsten. Mit dem Tod Jesu wird Gott erkennbar. Wer der Musik am Karfreitag folgt, der kann spüren: Lebendigsein kostet etwas. Einen Moment den Klang des Bekannten und Immer Gleichen ausschalten sich einer Welt aussetzen, die man nicht im Griff hat. Sie stürzt herab wie eine Lawine, grundstürzend und befreiend zugleich.
Und wenn mann genau hin hört, ahnt man von Ferne das Osterlachen.
Gott sei Dank, dass es diese stillen Tage gibt.