Evangelischer Kirchenkreis Lübbecke

"Engel der Kulturen"- Skulptur in Espelkamp aufgestellt

Robert Grundmann

Zusammenleben in versöhnter Verschiedenheit


Projektvorstellung: Gregor Merten und Carmen Dietrich, die den „Engel der Kulturen“ entwickelt und gestaltet haben erläuterten, wie es dazu kam und was sie motiviert hat.

Premiere: Die Stahlskulptur „Engel der Kulturen“ wurde erstmals auf private Initiative aufgestellt. In Espelkamp soll seine Botschaft in den öffentlichen Raum wirken.


Von Robert Rolf Grundmann


Espelkamp. Carmen Dietrich und Gregor Merten sind bildende Künstler und sie haben sich einer Idee verschrieben: Sie wollen den interkulturellen Dialog fördern und haben dafür als Symbol den „Engel der Kulturen“ entwickelt, der über alle Sprachbarrieren hinweg verstanden wird. Die Zeichen der drei „Abrahamitischen Religionen“, der „Davidstern“, das Kreuz und der Halbmond ragen in eine Kreisfläche. Sie sind im gleichen Abstand zueinander angeordnet – keines der Symbole dominiert und alle sind eingeschlossen von einem Kreis, der für das Erdenrund steht. Dass dadurch ein Engel sichtbar wird, sei nicht geplant gewesen aber in dem gesamten Bild, sei die ganze Vielfalt der Kulturen vorstellbar, so Dietrich und Merten.
Als Bodenintarsie fordert der Engel in über 120 Städten in Deutschland und im übrigen Europa inzwischen dazu auf, über vier Kernaussagen nachzudenken, die die Leitgedanken der Künstler bei diesem Projekt sind: „Wir leben in einer Welt. Wir lassen einander zu und geben uns gegenseitig Raum zur Entfaltung. Mitmenschlichkeit und Achtung vor der Schöpfung prägen die von allen gebildete Mitte. Wir sind einander verbunden und werde nur gemeinsam und friedlich die Zukunft gestalten können.“ Das Projekt funktioniere als „soziale Plastik“, denn in die Vorbereitungen und in die Verlegung werden Schulen, Kindergärten oder Jugendgruppen eingebunden.
In Espelkamp wurde keine Intarsie als „soziales Projekt“ verlegt, sondern eine Skulptur aus Stahl aufgestellt. Zum ersten Mal in der zehnjährigen Geschichte des Projekts auf Initiative einer Einzelperson und zwar auf privatem Gelände. Die Stele ragt in den Himmel, also in den öffentlichen Raum. Genau das hat der Initiator beabsichtigt. Die Aufforderung, nach einem „friedlichen Zusammenleben in versöhnter Verschiedenheit“ zu streben, soll damit in die Stadtgesellschaft getragen werden. Als die Skulptur und damit das dahinter stehende Projekt jetzt der Öffentlichkeit vorgestellt wurden, war auch eine Vertreterin der evangelischen Martinskirchengemeinde anwesend, ebenso die stellvertretende Bürgermeisterin Christel Senckel. Andere Religionsgemeinschaften, seien sie katholisch, baptistisch, mennonitisch oder muslimisch hatten darauf verzichtet, auf die Einladung und die Begegnungsmöglichkeit zu reagieren. Eine jüdische Gemeinschaft gibt es in Espelkamp nicht.
„So sehr wir das Projekt in die Öffentlichkeit tragen, um den Menschen zu zeigen, dass es nur gemeinsam geht – noch nie ist ein einzelner auf die Idee gekommen, das ganz persönlich zu vertreten. Das setzt ein Zeichen“, kommentierte Gregor Merten R. R. Grundmanns Engagement. Der sieht dies als bürgerschaftliche Aufgabe an, die er mit Unterstützung seines Freundes Karsten Schulz habe erfüllen können, der die Fläche zur Verfügung gestellt habe. Die Skulptur sei ein weiterer Mosaikstein für den Weg hin zu einer bunten, toleranten und friedlichen Stadt in der viele Kulturen und Glaubenswege gelebt werden könnten. Damit knüpfen beide an das an, was die Menschen erreichen wollten, die Espelkamp vor fast 80 Jahren auf dem Gelände einer ehemaligen „Munitionsanstalt“ gegründet haben. Sie wollten in Zusammenarbeit von evangelischer Landeskirche und dem entstehenden Land Nordrhein-Westfalen einen Ort schaffen, an dem Menschen in all ihrer Verschiedenheit in gegenseitigem Respekt und bewusster Akzeptanz miteinander leben wollen und können. Umso bedauerlicher sei es, dass christliche oder auch muslimische Gemeinschaften fundamentalistischer Prägung es immer mehr vorzögen, sich in den vermeintlichen Schutz ihrer jeweiligen Wagenburg zurückzuziehen, Parallelgesellschaften zu bilden.
Der „Engel der Kulturen“ solle ein Zeichen setzen und im positiven Sinne „Anstoß erregen“. Er ermuntere zum Nachdenken und dazu, miteinander ins Gespräch zu kommen, die Wagenburg zu verlassen. Am Ende stehe dann hoffentlich das, was Gotthold Ephraim Lessing „Laut denken mit dem Freunde“ genannt hat, so Grundmann in seiner Begrüßung der zahlreichen Gäste.

Infokasten:
Das „soziale Projekt“ wurde seit 2008 europaweit in über 120 Städten verwirklicht. Bei der Verlegung einer Intarsie wird von den Künstlern und den Menschen vor Ort die Form für die Arbeit am nächsten Standort vorbereitet, so das ein länderübergreifendes Netz von „Standorten“ entstanden ist und weiter wächst.
Bei der Herstellung der Gussform bleiben Platten in Form des Engels über, die zu einer Skulptur aufeinander geschichtet werden sollen, die ihren Platz in einem interkulturellen Garten in Jerusalem finden wird. Auf den Rändern dieser Platten wird jeweils der Ort angegeben, an dem sie entstanden sind, also eine Intarsie verlegt wurde.
Bei der Kunstaktion vor dem europäischen Parlament vor vier Jahren nannte der damalige Parlamentspräsident Martin Schulz den Engel „ein Symbol für die europäische Idee, wie es kein besseres geben könnte“.
Für Kindergärten, Schulen und Jugendgruppen können Materialien zur Verfügung gestellt werden, die helfen, sich mit dem Projekt auseinanderzusetzen und auch selbst kreativ zu werden.
Weitere Informationen zum Projekt und zur gleichnamigen Stiftung, die auch durch Spenden unterstützt werden kann, finden Sie unter: www.engel–der–kulturen.de



FOTO: ROBERT ROLF GRUNDMANN