Zwischen Anspruch und Wirklichkeit

Lübbecke, den 28. November 2025

Die nordrhein-westfälische Landesregierung plant eine Reform des Kinderbildungsgesetzes (KiBiz). Doch ihr „Eckpunktepapier“ stößt auf Widerspruch. Die Sorge: Um Kosten zu decken, könnten künftig vermehrt geringer qualifizierte Kräfte eingesetzt werden – mit möglichen Folgen für die pädagogische Qualität.

„Das Aufstiegsversprechen unserer Gesellschaft beginnt bei den Kleinsten“, heißt es im sogenannten Eckpunktepapier der Landesregierung. Ziel sei es demnach, allen Kindern im Land die bestmöglichen Startchancen zu ermöglichen. Frühkindliche Bildung und verlässliche Betreuung sollen nicht nur individuelle Bedürfnisse erfüllen, sondern auch gesellschaftliche Investitionen in die Zukunft darstellen. Nach den bisherigen Plänen soll die KiBiz-Reform bereits 2026 erfolgen; somit könnten die Änderungen im Sommer 2027 in Kraft treten.

Carsten Schöneberg und Diana Bruguet von der Geschäftsführung des Trägerverbundes Evangelischer Tageseinrichtungen für Kinder im Kirchenkreis Lübbecke begrüßen grundsätzlich das Signal der Landesregierung, die finanziell und personell angespannte Situation der Kitas zu verbessern. Dennoch sehen sie bestimmte Punkte des Papiers kritisch. „Einige Aspekte sind noch recht ungenau, vor allem was die Arbeit am Kind betrifft“, sagt Schöneberg.

So hätten unter anderem die geplanten Vorschläge gravierende Auswirkungen auf die Kernarbeitszeiten, die Randstundenbetreuung und die Qualifizierung des Personals. Zum Beispiel sehen Bruguet und Schöneberg bei der Idee einer täglichen Kita-Mindestzeit von fünf Stunden, die den Vormittag stärker für Bildungsarbeit und den Nachmittag für Betreuung vorsieht, noch viele offene Fragen.

„So wie das bisher im Eckpunktepapier steht, öffnet das Tür und Tor für unqualifiziertes Personal“, warnt Bruguet. „Es könnte passieren, dass die Reform zwar gut gemeint ist, aber künftig die Träger aus finanziellen Gründen gezwungen sind, weniger qualifiziertes Personal einzusetzen, nur um die Betreuungszeiten verlässlich abzusichern. Ob das der Qualität der Arbeit dient, ist mehr als fraglich.“

Ein weiteres Thema ist die im Eckpunktepapier angekündigte „Entbürokratisierung“. Zwar klinge das grundsätzlich gut, so die Geschäftsführung, „doch warum soll das nur auf der Ebene der Landesverwaltung geschehen und nicht auch in den Einrichtungen selbst?“ Tatsächlich würden laut Papier zahlreiche Prüfpflichten für die Landesverwaltung und das Landesjugendamt gelockert – eine echte Entlastung für die Träger sei jedoch nicht vorgesehen.

Außerdem bleibt die Finanzierung nach Ansicht der Lübbecker Fachleute ein ungelöstes Problem. „Dazu steht im Papier überhaupt nichts Konkretes“, so Schöneberg. Zwar sollen die Betreuungszeiten künftig bedarfsgerechter gestaltet werden – statt drei sollen fünf Buchungszeiten möglich sein –, doch das mache die Organisation komplexer. „Für Eltern sind niedrigere Kita-Pauschalen zweifellos gut, aber das bedeutet gleichzeitig geringere Einnahmen bei den Kommunen. Und das darf nicht zulasten der Kita-Finanzierung vor Ort gehen, denn Personal muss trotzdem vorgehalten werden.“

Auch die Landesarbeitsgemeinschaft der Freien Wohlfahrtspflege äußert sich ähnlich ambivalent: „Das Papier signalisiert eine grundsätzliche Bereitschaft zur Entlastung der Träger, der Mitarbeitenden in den Einrichtungen und der Eltern, was wir ausdrücklich begrüßen“, heißt es in einer Stellungnahme vom Oktober 2025. Gleichzeitig warnt die Freie Wohlfahrtspflege vor neuen Herausforderungen aufgrund des Eckpunktepapiers und fordert ein schnelleres Handeln: „Der anvisierte Zeitraum bis Juli 2027 kommt für viele Träger zu spät. Finanzielle Überbrückungsmaßnahmen müssen spätestens zum Kindergartenjahr 2026/2027 greifen.“

Carsten Schöneberg (oben) und Diana Bruguet von der Geschäftsführung des Trägerverbundes Evangelischer Tageseinrichtungen für Kinder im Kirchenkreis Lübbecke