Evangelischer Kirchenkreis Lübbecke

Reicher Schall aus Reichenhall

Lübbecke (cm). Sommerferien-Zeit ist Orgelsommer-Zeit. An sieben Sonntagen in Folge steht die »Königin der Instrumente« im Fokus diverser Konzerte im gesamten Kirchenkreis Lübbecke. Gestartet ist der Orgelsommer mit einer nicht alltäglichen Instrumentenkombination und einer kleinen Knobelaufgabe: »Was ergibt Orgel hoch zwei plus Klavier plus Posaune hoch vier?«, begrüßte Robert Schlegl die Zuhörer in der St.-Andreas-Kirche.

Natürlich konnte die Lösung nur eine musikalische, keine mathematische sein. Die beiden entscheidenden Faktoren hießen dabei Robert Schlegl und Heinz-Hermann Grube. Der Posaunist aus Bad Reichenhall und der Kirchenmusiker aus Lübbecke musizierten mit einer Virtuosität und einem gegenseitigen Verständnis, dass das Zuhören die reine Freude war, und gaben dem Begriff Klangvielfalt eine ganz neue Bedeutung.
Den schreibt man nämlich im Allgemeinen eher der Orgel zu, die mit ihren Registern mühelos ein ganzes Orchester imitiert. Dagegen bleibt eine Posaune – nun, eben doch nur eine Posaune, oder nicht? Wer mit dieser Erwartung in das Konzert gekommen war, den überführte Robert Schlegl gleich seines ersten Rechenfehlers: »Keine Posaune ist wie die andere«, lautet der erste Satz der historischen Aufführungspraxis, der sich Schlegl mit großem Engagement verschrieben hat. Als Beweis hätte bereits ein Blick auf die vier Instrumente genügt, die er in diesem Konzert zum Klingen brachte, mit ihren ganz unterschiedlich dimensionierten Zügen, unterschiedlichen Schalltrichtern, unterschiedlichen Mundstücken. Aber so verschieden die Posaunen gestaltet waren, so verschieden klangen sie auch.

Das Programm für Posaune und Orgel begann mit Frescobaldis »Canzona prima basso solo« und endete mit Alexandre Guilmants »Morceau Symphonique«: eine kleine Zeitreise vom Barock in die Romantik. Deutlich hörbar hatte jede Zeit nicht nur ihren eigenen Kompositionsstil, sondern auch ihren ganz eigenen Klang, den Robert Schlegl mit Hilfe seiner vier Instrumente so authentisch wie nur möglich einzufangen wusste.
Die zierliche Barockposaune zum Beispiel, mit der er Frescobaldis »Canzona« intonierte, entsprach mit ihrem warmen, schlanken Klang ganz dem Ideal des beginnenden 17. Jahrhunderts, bei dem die menschliche Stimme das Maß aller Dinge war. Die Posaune der deutschen Romantik dagegen, die bei Carl Maria von Webers »Romance« zum Einsatz kam, verkörperte mit ihrem riesigen Schalltrichter das andere Extrem und produzierte einen Klang, der dunkel-schwer, aber auch hell und strahlend, kurz: voll romantischer Emotion sein konnte.

»Die Vielfalt der klangästhetischen Aspekte ist das, was mich an der historischen Aufführungspraxis besonders reizt«, sagt Robert Schlegl. »Auch wenn man beim Spielen der Instrumente sozusagen immer eine Übersetzungs-App im Kopf haben muss, weil die Töne bei jedem Instrument anders liegen.«

Im Konzert wechselten sich Kompositionen für Posaune und Orgel (bzw. Orgelpositiv oder Klavier) mit reinen Orgel-Kompositionen von Buxtehude, Bach und Mendelssohn-Bartholdy ab, so dass dem Posaunisten kurze Verschnaufpausen vergönnt waren und die Orgel nicht nur als Begleitinstrument zu ihrem Recht kam.


Robert Schlegel spielt die Barockposaune

Text und Bild: Müller, Westfalen-Blatt von Dienstag, den 12. Juli 2016