Evangelischer Kirchenkreis Lübbecke

Kita Gehlenbeck

Wertschätzung für Kita-Arbeit



Viele Kolleginnen zeigen sich solidarisch mit streikenden Erzieherinnen in den Kindergärten
von Carolin Nieder-Entgelmeier und frank hartmann

Lübbecker Land. Seit Montag wird im kommunalen Sozial- und Erziehungsdienst unbefristet gestreikt. Allein im Verdi-Bezirk Herford-Minden-Lippe sind davon rund 40 Kindertagesstätten betroffen, neben einigen in Minden und Bad Oeynhausen auch die Lübbecker Kita Mühlenzwerge des Kreises Minden-Lübbecke. Den Erzieherinnen geht es um mehr Anerkennung und bessere Arbeitsbedingungen. Zu Recht, meinen nicht nur Gewerkschaftsvertreter.

"Absolut verständlich" findet Edith Meier-Heßlau von der Fachberatung der evangelischen Tageseinrichtungen für Kinder im Kirchenkreis Lübbecke den Streik. Seit der Anpassung an das Gesetz zur frühen Bildung und Förderung von Kindern, kurz KiBiz (¦ Info) müssten die Erzieherinnen deutlich mehr Aufgaben übernehmen. Auch der Verwaltungsaufwand sei erheblich gestiegen: "Ohne Computerprogramme ist den Anforderungen nicht mehr nachzukommen", sagt Meier-Heßlau. Im Grunde sei heute "alles PC-gesteuert".

Da zur Zeit viele Kindergärten 30- oder 40-jähriges Bestehen feiern, vergleicht sie die heutigen Anforderungen an die Mitarbeiter mit damals: Hinzugekommen seien etwa eine heilerzieherische Komponente, auch Aufgaben wie Bewegung, Ernährung und Sprachförderung - "eben viele neue Angebote", so Meier-Heßlau. Damit einher gegangen sei eine "höhere Professionalisierung", was sie "grundsätzlich okay" findet. Von den Gehältern von Grundschullehrern seien Erzieher aber noch "meilenweit entfernt".

In den Kreisen Herford, Minden-Lübbecke und Lippe sind insgesamt 650 Mitarbeiter zum Streik aufgerufen. "Die Streikbereitschaft ist sehr groß", erklärte Verdi-Sekretär Siegfried Wöhler vom Bezirk Herford-Minden-Lippe im Vorfeld. Es war aber noch nicht klar, welche Einrichtungen ab Montag geschlossen bleiben würde.

Nicht dazu gehören kirchlich getragene Kindergärten, wie der in Gehlenbeck. Für dessen Mitarbeiterinnen gilt der sogenannte "dritte Weg". Das bedeutet, die evangelische Kirche kann eigene Angelegenheiten, wie das Personalrecht, in den Schranken der für alle geltenden Gesetze eigenständig regeln. Darunter die Vergütungshöhe, den zu gewährenden Erholungsurlaub und die betriebliche Altersversorgung.

Dem Streikaufruf für kommunal getragene Kitas vorausgegangen war eine bundesweite Urabstimmung. Das Votum war eindeutig: Für den unbefristeten Ausstand haben 96,37 Prozent der Mitglieder der Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW) und 93,44 Prozent der Verdi-Mitglieder gestimmt. "Der Frust der Mitarbeiter ist sehr groß, deshalb ist die große Zustimmung keine Überraschung für uns", so Wöhler.

Verdi hofft, dass die kommunalen Arbeitgeberverbände (VKA) den unbefristeten Streik als Signal wahrnehmen. "Die VKA können den Streik beenden, wenn sie endlich ein akzeptables Verhandlungsangebot unterbreiten". Das sei bisher nicht der Fall gewesen. Das bestätigt auch die GEW-Landesvorsitzende Dorothea Schäfer: "Der Streik ist eine klare Ansage an die VKA. Die Erzieher sind bereit, für eine Aufwertung ihres Berufes und für eine bessere Bezahlung zu kämpfen und unbefristet zu streiken." Offenbar könne nur so die Blockadehaltung der Arbeitgeber gebrochen werden.

Für die Mitarbeiterinnen der Kita Mühlenzwerge ist dies der Kreis Minden-Lübbecke. Der ließ auf NW-Anfrage mitteilen, die Kreisverwaltung und die betroffenen Mitarbeiter würden sich nicht öffentlich zu einem laufenden Tarifkonflikt äußern. Auf die Frage, ob sich die von den Erzieherinnen geforderte Qualifikation und Verantwortung in ihrem Verdienst widerspiegele, heißt es: "Dies zu verhandeln liegt in der Hand der Tarifpartner." Eine Antwort auf die Frage, warum sich laut Kreis-Sprecherin Sabine Ohnesorge am Montag vergleichsweise wenig Erzieherinnen der Kita Mühlenzwerge am Verdi-Streikaufruf beteiligt hatten (die NW berichtete) kam die Antwort: "Dazu liegen uns keine konkreten Informationen vor, so dass eine Antwort spekulativ wäre." Die Mitarbeitenden seien in Kontakt mit den Eltern. Ziel sei es, "auch in der kommenden Zeit für alle Beteiligten eine gute Lösung zu finden".





Darauf hoffen neben vielen anderen Jutta Hovemeyer, Vorsitzende des Leitungsausschusses der evangelischen Kitas im Kirchenkreis Lübbecke, und Doris Kruke, die seit 1991 den evangelischen Kindergarten Gehlenbeck leitet und 40 Jahre Berufserfahrung hat. Beide sagten am Dienstag übereinstimmend: "Unabhängig von der Trägerschaft stehen wir hinter den Zielen der Streikenden."

Mit "wir" meinen Hovemeyer und Kruke unter anderem alle Erzieherinnen, die im Lübbecker Land arbeiten. Für so unterschiedliche Träger wie evangelische Kirche, Rotes Kreuz, Arbeiterwohlfahrt, Parität, Kreis oder auch privat von Eltern gegründete Kindergärten. "Ich bin seit 40 Jahren mit Herzblut Erzieherin und finde es sehr gut, dass unsere Berufsgruppe jetzt endlich einmal bundesweit im Fokus steht", sagt Doris Kruke. Sie koordiniert den Einsatz von vier Voll- und sieben Teilzeitkräften in Gehlenbeck, die sich zwischen 7 und 17 Uhr um insgesamt 70 Kinder zwischen zwei und sechs Jahren kümmern. Mehr als die Hälfte davon bleibt über Mittag, muss verpflegt und vielleicht schlafen gelegt werden.

"Früher", erzählt Kruke, "reichte es ja, wenn die Kinder ihre Stunden in der Kita mehr oder weniger spielend verbrachten". Dass habe sich grundlegend geändert: "Um allen gesetzlichen Vorgaben und den Wünschen der Eltern entsprechen zu können, müssen wir einen immensen Pflege- und Betreuungsaufwand betreiben. Hinzu kommt sehr individuelle Förderung der Kinder." Die Ausbildungszeit für Erzieher betrage in der Regel fünf Jahre. Und auch danach sei regelmäßig eine Mitarbeiterin in einer Fortbildung, um anschließend die Kolleginnen zu schulen, von denen die jungen nur befristete Arbeitsverträge bekämen.

"Mein ganzes Leben kämpfe ich schon dafür, dass dieser Beruf aufgewertet wird", sagt Doris Kruke. Und hofft, dass die große Aufmerksamkeit für den Streik dazu führt, dass es diesmal endlich klappt. NW13.5